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LONDON
Moskau zu Milliardenstrafe verpflichtet
Russland soll zahlen: Nach der Zerschlagung des Ölkonzerns Yukos hat ein Schiedsgericht Russland zur Zahlung von 50 Milliarden Dollar verpflichtet. Zu den Geschädigten gehörten damals auch Michail Chodorkowski (links) und Platon Lebedev.
Foto: ArchivMaxim Shipenkov, dpa | Russland soll zahlen: Nach der Zerschlagung des Ölkonzerns Yukos hat ein Schiedsgericht Russland zur Zahlung von 50 Milliarden Dollar verpflichtet.
reda
 |  aktualisiert: 28.07.2014 19:08 Uhr

Milliardenschwere russische Ölmagnaten, die nach Israel fliehen, Treuhandgesellschaften im Steuerparadies Guernsey, eine Aktionärsgruppe mit Sitz in Gibraltar – und mittendrin der Kreml in Moskau. Das ist der Stoff, aus dem der Wirtschaftskrimi um das Vermögen des einstigen Yukos-Konzerns von Kreml-Gegner Michail Chodorkowski gemacht ist.

Nach zehn Jahren zähen Ringens haben die ehemaligen Eigner hinter der Firma einen mächtigen Schlag gegen Russland gelandet, der auch bei der kampferprobten Garde um Präsident Wladimir Putin Wirkung zeigen dürfte. Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag spricht ihnen eine Entschädigung in der gigantischen Rekordhöhe von 50 Milliarden US-Dollar zu. Yukos sei vom Kreml „aus politischen Gründen“ zerschlagen worden, befinden die drei Richter. Russland hat angekündigt, das Urteil aus Den Haag anzufechten.

Geklagt hatte die GML Holding, in der 60 Prozent der früheren Anteile des einst größten Ölkonzerns der Welt gebündelt sind. Moskau hatte die Yukos-Führung um Chodorkowski und Platon Lebedew Anfang des Jahrtausends im Handstreich abgesetzt. Die Anteile wurden in einer nur Minuten dauernden und von vielen Beobachtern als Farce bezeichneten Auktion an den Staatskonzern Rosneft versteigert. 20 Prozent an Rosneft gehören inzwischen dem britischen Energiekonzern BP. Dessen Management hielt sich am Montag bedeckt.

Lagerhaft am Polarkreis

Die GML mit Sitz in Gibraltar wird über einen Trust auf der britischen Steueroase Guernsey gesteuert. Dahinter stehen die großen Namen von Yukos. Etwa Lebedew, der einstige Finanzjongleur des Ölkonzerns, der wie Chodorkowski wegen Betrugs und Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe in Lagerhaft nördlich des Polarkreises genommen worden war. In London, wo GML-Chef Tim Osborne die internationalen Medien über seinen Sieg gegen den Kreml informiert, knallen am Montag die Sektkorken. „Insgeheim hätte ich nicht geglaubt, dass es diese Summe werden wird“, sagt der gewiefte Londoner Wirtschaftsanwalt. Doch auch ihm ist klar, dass der Sieg vor dem Schiedsgericht nur eine Etappe ist. Bis das Geld aus Russland fließt, kann es Jahre dauern. „Es kann sein, dass andere Leute diesen Prozess zu Ende bringen müssen“, sagt er. „Aber wir sind entschlossen, und wir haben Geld.“

Russland will alle Register ziehen, um der gigantischen Entschädigungszahlung zu entkommen. Sie würde zehn Prozent der Währungsreserven des Landes ausmachen, und sie ist so groß wie die Ausgaben für die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Außenminister Sergej Lawrow äußert sich unmissverständlich. Die Kläger wissen das und arbeiten hinter den Kulissen an einer Strategie, wie sie an das Geld kommen.

Sollte der Schiedsspruch rechtskräftig werden, könnten die Kläger etwa in Ländern, in denen die New York Konvention zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit gilt, pfänden lassen. Von Flugzeugen der russischen Staats-Airline Aeroflot ist die Rede, oder von Ölförderanlagen, die nicht auf russischem Staatsgebiet stehen.

„Aber es ist traurig, dass die Entschädigung aus der Staatskasse kommen wird und nicht aus den Taschen der Mafiosi mit Beziehungen zur Macht und aus denen von Wladimir Putins Oligarchen“, sagt Ex-Yukos-Chef Michail Chodorkowski, der nach eigenen Angaben von dem Schiedsspruch nicht finanziell profitieren wird, in einer ersten Reaktion.

Hochpolitisch sind die Auswirkungen des Schiedsspruches auch. Er bedeutet einen gewaltigen Schlag gegen Putins in der Rezession befindliches Russland. Er erfolgt ausgerechnet in einer Phase der politischen Eiszeit zwischen Moskau und dem Westen vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise und der deswegen verhängten Sanktionen von EU und USA.

Der russische Ölkonzern Yukos

Aus der Fusion zweier Erdölfirmen ging 1993 der russische Ölkonzern Yukos hervor und entwickelte sich schnell zum größten Ölunternehmen des Riesenreichs. Zeitweise konnte die Firma Umsatzsteigerungen von bis zu 100 Prozent vorweisen. Auf dem Höhepunkt förderte Yukos 2003 knapp ein Fünftel des russischen Öls. Mehrheitlich gehörte der Konzern damals der Menatep-Holding, hinter der der Geschäftsmann Michail Chodorkowski stand. Die überraschende Verhaftung von Chodorkowski in einem umstrittenen Betrugsverfahren leitete Ende 2003 den wirtschaftlichen Niedergang des Unternehmens ein. Der Staat forderte nach der Festnahme des Vorstandsvorsitzenden Steuernachzahlungen in Milliardenhöhe. Kritiker äußerten den Verdacht, das umstrittene Vorgehen diente nur dazu, dem Staat billig die Filetstücke zu sichern. Bis heute halten sich Vorwürfe, dass hinter Chodorkowskis Verhaftung und Verurteilung politische Motive stehen. Text: dpa

 
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