Nach den Feiertagen mit meist üppigen Festgelagen beruhigt diese Botschaft das schlechte Gewissen ungemein: Übergewichtige leben länger, lautet das Ergebnis einer Analyse von 97 Studien weltweit. Demnach ist das Sterblichkeitsrisiko bei Menschen, die mehr Pfunde auf die Waage bringen, um sechs Prozent niedriger als bei Normalgewichtigen. Auch leicht Fettleibige leben länger: Bei ihnen ist das Sterberisiko um fünf Prozent niedriger. Erst bei einem deutlichen Übergewicht (Body-Mass-Index über 35) wendet sich das Blatt – dann steigt das Risiko, früher zu sterben, um 29 Prozent. Ausgewertet wurden die Daten von fast drei Millionen Menschen. Veröffentlicht wurde die Studie im US-amerikanischen medizinischen Fachmagazin JAMA (The Journal of the Medical American Association).
Ist der Rettungsring an Bauch und Po tatsächlich das, was er ironisch besagt: ein Lebensretter? Der Internist und Diabetologe Professor Bruno Allolio, Leiter der Abteilung für Endokrinologie am Würzburger Uniklinikum, empfiehlt keineswegs, sich Übergewicht anzufuttern, um länger zu leben. „Die Studie ist interessant, aber sie sagt wenig über die Gesamtsterblichkeit aus.“ Man könne aus den Ergebnissen nicht schlussfolgern, man müsse übergewichtig sein, um lang zu leben, sondern nur, dass ein gewisses Übergewicht kein Lebenszeitrisiko darstellt.
Der Würzburger Experte weist auch darauf hin, dass der Body-Mass-Index, kurz BMI genannt, „kein guter Parameter“ sei, um Aussagen darüber zu treffen, wann Übergewicht oder Fettsucht (Adipositas) günstiger oder eher ungünstig für die Gesundheit sind. Das zeigt sich zum Beispiel an der unterschiedlichen Fettverteilung, den Birnen- und Apfeltypen. Frauen haben oft mehr Fettpolster an den Hüften. Diese sind, so Allolio, meist weniger problematisch als der Bierbauch bei Männern – selbst bei gleichem BMI. „Wir müssen besser differenzieren lernen.“ Mit aufwendiger Technologie wie dem Kernspintomografen sei das sicher möglich. Andere, leichtere Verfahren, müssten für die Unterscheidung zwischen gefährlichen und weniger gefährlichen Fettreserven noch gefunden werden.
Laut Professor Allolio ist es jedoch eine Tatsache, dass Fettpolster für Krankheiten durchaus protektiv sein können. Auch eine Studie, die in Kooperation mit der Charité-Universitätsmedizin in Berlin durchgeführt wurde, bestätigt diesen widersprüchlich erscheinenden Zusammenhang zwischen Übergewicht und höheren Überlebenschancen bei Erkrankungen. So haben mollige oder fettleibige Patienten nach einem Schlaganfall durchaus günstigere Prognosen. Laut Charité sterben diese Patienten seltener und tragen weniger Behinderungen davon als Idealgewichtige. Zwar sei das Risiko, einen ersten Schlaganfall zu erleiden, für übergewichtige Menschen höher als für diejenigen mit normalem Gewicht. Jedoch sei für Übergewichtige, die bereits einen Schlaganfall hatten, das Risiko eines weiteren Schlaganfalls keineswegs höher.
Body-Mass-Index (BMI)
Übergewicht oder Normalgewicht berechnet sich über den Body Mass Index (BMI). Die Formel lautet: BMI = Gewicht in Kilogramm geteilt durch Körpergröße in Metern zum Quadrat.
Ein Beispiel: Ein Mann ist 1,79 Meter groß und wiegt 85 Kilogramm. Das ergibt einen BMI von 26,5, also Übergewicht. Fünfeinhalb Kilo müsste er abnehmen, um einen BMI von 24,8 zu erhalten, gerade noch Normalgewicht.
Allgemein gilt, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA):
Untergewicht: BMI weniger als 18,5
Normalgewicht: BMI 18,5 bis 24
Übergewicht: BMI ab 25
Starkes Übergewicht (Adipositas): BMI über 30
Extreme Adipositas: BMI über 40
Die Aussagekraft des BMI ist mittlerweile umstritten. So kann jemand, der Kraftsport betreibt, aufgrund seiner Muskelmasse ein höheres Körpergewicht und damit einen höheren BMI haben als jemand mit geringerem Körpergewicht, aber dafür mit viel Körperfett. Deshalb müssen, so die BZgA, um den Gesundheitszustand zu beurteilen, neben dem BMI noch andere Kriterien und Stoffwechselindikatoren dazu kommen. text: cj