Es ist eine Welt, die „normale“ Menschen nur aus Hochglanzmagazinen oder von riesigen Plakatwänden kennen. TV-Formate wie „Germanys next Topmodel“ oder „Das perfekte Model“ verkaufen sie als schillernd und dramatisch. In dieser Welt verdient Anna Christina Schwartz ihre Brötchen. Vor gut zwei Jahren hatte die Höchbergerin (Lkr. Würzburg) gerade eine Ausbildung zur Physiotherapeutin an der staatlichen Berufsfachschule in Würzburg begonnen. Nebenher jobbte sie im Catering eines Hotels. Während eines Festes in der Residenz der Domstadt geschah es dann: Sie wurde angesprochen, dass sie so gut aussähe. Ob sie denn Fotomodell sei?
War sie nicht, wollte es aber durchaus werden. Die junge Frau mit den langen braunen Locken und den blaugrünen Augen war schon in der Schule mit ihrem Aussehen aufgefallen. Das hatte ihr aber eher viele Bewunderer als eine Berufsperspektive eingebracht. „Ich habe mich nach diesem Fest bei einer Agentur in München beworben“, erinnert sich Anna: „Most Wanted Models“ nahmen die damals 19-Jährige gleich unter Vertrag.
Es folgten Fotoshootings, bei denen Anna Erfahrungen sammeln konnte – und reihenweise Bilder für ihr virtuelles Model-Buch auf der Internetseite der Agentur. Dort präsentieren sich die Models und dort werden sie von den Kunden – meist Firmen – gesucht und gebucht. So kam Anna zu ihrem ersten Job: Werbeaufnahmen für die Fast-Food-Kette Burger King. Pommes mit Ketchup muss die Brünette da so elegant halten wie einen teuren Lippenstift – sinnlicher Augenaufschlag inklusive.
Sinnlich – das Adjektiv passt zu der 21-Jährigen. Sie ist kein Hungerhaken, sondern eine junge Frau mit perfekten weiblichen Formen. Und genau das ist ihr Problem: Für die Mode-Laufstege von Paris, Mailand oder New York ist sie eigentlich zu klein und zu kurvig. Deswegen macht Anna sich keine Illusionen: Sie wird wohl eher für Werbung, Beauty und Unterwäsche gebucht werden. Mit ihren Maßen von 87-60-92 (Brustumfang – Taille – Hüftumfang) bei einer Größe von 1,71 Metern kommt sie nahe an die legendären Traummaße 90-60-90 heran. Doch die sind seit Jahren nicht mehr aktuell. 83–58–86 ist zumindest in Paris keine Seltenheit mehr. 58 Zentimeter um die Taille – so viel Umfang hat ein normaler Handball. Und dieses Maß haben Frauen, die in der Regel zehn Zentimeter größer sind als Anna. Doch so sind eben die Anforderungen der Laufstegbranche. „Dem möchte ich mich nicht unterwerfen“, sagt die Höchbergerin. Sie ist froh, dass ihre Agentur seriös ist und ein Auge darauf hat, dass alles in einem gesunden Rahmen bleibt.
Magerkost käme ihr nicht auf den Teller. „Dafür esse ich einfach viel zu gerne und genieße es zu sehr.“ Trotzdem muss sie sich manchmal im Restaurant bremsen und bestellt lieber Salat statt Pasta. Aber meistens, sagt sie, isst sie schon, was sie will. „Und das mag ich auch nicht aufgeben.“ Statt Kalorien zu zählen geht Anna lieber aufs Laufband. „Ich versuche, jeden Tag mindestens zwei Stunden Sport zu treiben. Denn mehr als zwei bis drei Kilo dürfte ich nicht zunehmen.“
Das Gewicht – es ist ein heiß diskutiertes Thema in der Branche. Vor allem bei den Casting-Shows wie „Germanys next Topmodel“ oder „Das perfekte Model“ sieht Anna da ein Problem. „Jede Woche bekommen Kinder und Jugendliche im Fernseher vorgeführt: Nur wer dünn und schön ist, ist erfolgreich.“ Kein gutes Signal, findet die junge Frau. Fürs Mitmachen im Fernsehgeschäft von der Schönheit würden die Teilnehmerinnen an Verträge geknebelt, die ihr Weiterkommen bestimmen: „Wer nicht schreit, heult und zickt, fliegt raus.“ Zudem kommen die wenigsten nach so einer Show gut ins Geschäft. „Viele Kunden halten einfach nichts von Castings und suchen sich ihre Models lieber bei seriösen Agenturen.“
Anna hat einen anderen Weg genommen, einen, der Erfolg verspricht: Nach Burger King kamen immer mehr Aufträge. Erst ein paar kleinere Sachen, Katalogaufnahmen für Otto und Neckermann oder für Zeitschriften wie „Joy“ und „Shape“. „Das konnte ich noch mit meiner Ausbildung vereinbaren.“ Die hat sie jetzt vor gut drei Monaten abgebrochen, denn die Aufträge wurden immer größer: Joop, Tamaris-Schuhe, Villeroy & Boch oder BMW. Mittlerweile ist sie das Gesicht für die Beauty-Marke „alessandro“. „Das heißt, die buchen nur noch mich. Ein paar andere Kunden machen das auch. Und das gibt natürlich Sicherheit.“
Ihr größter Erfolg bisher war die Zusammenarbeit mit Karl Lagerfeld. Der Chanel-Designer ist wohl der Größte in seiner Branche, ein wahrer Modezar. Für das Modehaus Breuninger hat er eine eigene Kollektion entworfen, das Gesicht dafür ist Anna. Eine Visagistin, mit der sie zusammengearbeitet hatte, machte sie auf den Job aufmerksam. „Ich hätte nie damit gerechnet, aber Karl Lagerfeld und das Breuninger-Team haben mich als Model für die neue Karl-Kampagne ausgesucht.“ Getroffen hat sie den Designer dann Anfang dieses Jahres in Paris. Wie das war? „Natürlich eine sensationelle Erfahrung! So jemanden persönlich kennenzulernen!“ Etwas kühl und distanziert sei er gewesen – so, wie man ihn in den Medien wahrnimmt. Sie haben ein Erinnerungsfoto zusammen gemacht und kurz geplaudert. „Ich war so aufgeregt!“ Als ihr Vater sie danach fragte, ob Lagerfeld sie gesiezt oder geduzt hatte, konnte sie sich nicht erinnern. „Ich war so durch den Wind.“ Und der große Karl musste „schnell zu Chanel“.
Seit zwei Wochen hängt die Lagerfeld-Kollektion nun in den Läden. Wer etwas davon kauft, bekommt Anna gratis dazu – als Aufdruck auf der Einkaufstüte. Sie selbst ist inzwischen schon wieder unterwegs – in Paris, wo eine Agentur mit ihr zusammenarbeiten will. Anna lebt dort in einer Model-WG mit vier weiteren Schönheiten. Keine Seltenheit in der französischen Hauptstadt. „Dort ist der Konkurrenzdruck riesig.“ Bei Probeaufnahmen sieht sie andere Mädchen für ein paar Minuten, nun lebt sie mit der Konkurrenz sogar unter einem Dach. Eine ganz andere Erfahrung. Einen Job bei der Kosmetikmarke Garnier hat sie schon sicher und dafür die Haare auftragsgemäß schwarz gefärbt, viele Shootings mit Starfotografen stehen an. Vier bis acht Wochen sieht ihr Terminplan für Paris vor. „Je nachdem, wie es läuft.“ Danach geht's weiter Richtung Spanien – nach Barcelona.
Was ist da mit Heimweh? „Das hat man natürlich, wenn man längere Zeit von zu Hause weg ist.“ Bisher hat sie es geschafft, Modelkarriere und Privatleben unter einen Hut zu bringen. Mal ist sie ein paar Wochen lang fast gar nicht in Höchberg, dann hat sie wieder weniger zu tun und kann Familie und Freunde häufiger sehen. Denn die, das weiß sie, geben ihr etwas, was man im Mode-Business vergeblich sucht: Bodenhaftung. Wenn Anna unterwegs ist, sind die Hotels todschick und die Restaurants teuer. „Aber letztlich sitzt man abends ja doch alleine in seinem Zimmer. Daheim ist das anders, da ist einfach immer jemand da.“
Es ist ein Leben mit schicken Kleidern, hohen Gagen und Promi-Kontakten. Und es ist ein anstrengender Beruf, auch außerhalb des Fotostudios. Anna ist ständig unterwegs, Persönliches bleibt auf der Strecke. „Man läuft leicht Gefahr, von diesem Strudel mitgerissen zu werden und abzustürzen.“ Anna sieht das ganz realistisch. „Ich modle vielleicht noch zwei Jahre, nehme mit, was geht.“ Dann möchte sie studieren, was Kreatives wie Grafik-Design. Schließlich muss sie auch an später denken. „Wird man nicht weltberühmt, ist man als weibliches Model mit 26, 27 Jahren alt.“ Bei Männern könne das anders laufen, die würden „Charakterköpfe“. Aber als Frau müsse man vorsorgen.
Und trotzdem, versichert sie, was sie tut „ist momentan mein Traumjob. Das Reisen, die neuen Leute, die Kleider, die Shootings. Ja, es ist mein Traumjob.“ Dann streicht sie ihre Locken zurück und lacht ein strahlendes Lachen. So wie ganz normale, zufriedene Menschen.