Eine moderne Einwanderungspolitik mit qualifizierter Zuwanderung: Das sei ein Schlüsselthema für Deutschland und das wollten die Freien Demokraten schon lange, sagt Parteichef Christian Lindner. Im Interview äußert er sich auch über die Missstände beim Bamf.
Christian Lindner: Die Betonung liegt bei Innovation. Wir stellen die Wohlstandsfrage. Die wirtschaftliche Stärke unseres Landes ist keine Garantie für die Zukunft. Wir wollen, dass unser Land wieder auf Angriff spielt. Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Autonomes Fahren sollten bei uns entstehen und nicht nur in China oder den USA. Dafür brauchen wir Tempo bei der Digitalisierung, unter anderem mit schnellerem Glasfaserausbau. Wir brauchen Flexibilität statt Bürokratie. Wir müssen private Investitionen erleichtern, etwa durch ein Ende des Solidaritätszuschlags für alle. Und wir wollen mehr Offenheit für den Fortschritt statt Ängstlichkeit.
Lindner: Uns geht es nicht um Abschottung, sondern um das Gegenteil. Wir glauben, dass unser Land sich öffnen muss für neue Ideen, für neue Menschen und neue Märkte. Deshalb gibt es keine Partei, die so stark wie die FDP für den Freihandel eintritt. Wir sind die Partei, die mehr Europa dort will, wo es einen echten Mehrwert gibt, wie bei der Förderung von Technologien, beim gemeinsamen Grenzschutz oder in der Außen- und Sicherheitspolitik.
Lindner: Ich muss nochmals sagen, dass Sie das Motto überinterpretieren. Man könnte auch Innovationsland sagen. Über Ihre Einordnung des Begriffs der Nation wundere ich mich aber. Der hat nichts mit Nationalismus und Abschottung zu tun, sondern mit Zusammenhalt, Identität und Verfassungspatriotismus.
Lindner: Wir plädieren seit jeher für eine moderne, rationale Einwanderungspolitik. Unser Land steht vor der Entscheidung: Qualifizierte Zuwanderung – oder Rente mit 70. Gleichzeitig verändert sich die politische Landschaft durch Fremden- und Verlustangst. Die Antwort kann nur ein klares, liberales und geordnetes Einwanderungsrecht sein, das die Gesellschaft wieder mit sich selbst versöhnt.
Lindner: Ja, als eines von mehreren. Es gibt in Deutschland eine Reihe von Schlüsselthemen. Erstens: das Bildungssystem, über die Erstausbildung hinaus, damit die Menschen, die ihren Job durch die Digitalisierung verlieren, auch einen anderen annehmen können. Zweitens: Wirtschaftlicher Fortschritt und Gründerkultur, damit die neuen Jobs im Zuge der Digitalisierung entstehen. Drittens: Die Gestaltung Europas. Mehr Gemeinsamkeit in den großen Fragen Sicherheit, Handel, Militär, Klima und Energie. Aber keine Vergemeinschaftung von Finanzen, Risiken und Schulden, weil das falsche Signale zum Beispiel nach Rom sendet. Vierter Punkt: Einwanderung managen. Und der fünfte Punkt: Wir müssen den Sozialstaat für die Enkel tragfähig gestalten. Dafür muss er ganz neu gedacht werden.
Lindner: Nein. Die AfD hat ganz andere Motive als wir. Die AfD will aus der Flüchtlingskrise politisches Kapital schlagen. Wir möchten sie lösen, damit sich eine solche Situation nicht wiederholt. Die AfD möchte Frau Merkel anklagen, wir möchten die Gesellschaft befrieden. Wir werden einen Einsetzungsantrag für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorbereiten. Der Anlass sind die Vorgänge im Bamf. Der Gegenstand ist seit 2014 die Flüchtlingspolitik der damaligen Bundesregierung. Wir bemühen uns um Zustimmung der seriösen Fraktionen des Deutschen Bundestags.
Lindner: In Bremen gab es wohl eine blickdichte Nische, wo jemand mit Robin-Hood-Mentalität zulasten der Steuerzahler und des Rechtsstaats nach Gefühl über Asylanträge entschieden hat. Das muss aufgeklärt werden, und zwar über Bremen hinaus. Wir brauchen eine Generalrevision dieser Behördenentscheidungen.
Lindner: Er war immer der schärfste Kritiker der Flüchtlingspolitik, er sprach von der Herrschaft des Unrechts. Jetzt stellt sich die Frage nach seinem Aufklärungswillen.
Lindner: Ich habe keinen Anlass, an der persönlichen Integrität von Herrn Seehofer öffentlich zu zweifeln. Sollte sich entgegen meiner Erwartung aber herausstellen, dass er die Öffentlichkeit nicht korrekt über seinen Kenntnisstand informiert hat, dann ist es leider wie so oft in der Politik. Dann wird der Umgang mit der Krise gefährlicher als die Krise selbst.