Hannelore Vogt ist Bibliothekarin aus Leidenschaft, eine richtige Überzeugungstäterin. Die 50-Jährige leitet die Kölner Stadtbibliothek, hat seit fünf Monaten einen Arbeitsplatz mit Blick auf den Dom, ist verantwortlich für 160 Mitarbeiter, elf Außenstellen und den Bücherbus. Zuvor wurde die Würzburger Stadtbücherei unter ihrer Regie 2003 Bibliothek des Jahres und belegte viermal Platz eins im bundesweiten Leistungsvergleich der Bibliotheken.
Hannelore Vogt: Das geht gegen Null. Ich wollte Referentin werden, weil ich Lust auf Neues hatte. Daran hatte sich durch die Nichtberücksichtigung in Würzburg nichts geändert. Die Überlegung war: Ich habe dort in 15 Jahren fast alles erreicht. Will ich nochmal so lange an gleicher Stelle dasselbe tun oder kremple ich die Ärmel hoch? Bei der Beantwortung dieser Frage spielte Frust absolut keine Rolle, dafür ist die neue Aufgabe viel zu anstrengend. Man muss die Herausforderung mögen, von seiner Arbeit überzeugt sein.
Vogt: Ich hatte den Eindruck, dass der eine oder andere ein etwas schlechtes Gewissen hatte. Es war ja auch nicht okay, wie es gelaufen ist. Das schlechte Gewissen wurde manchmal überkompensiert mit besonderer Freundlichkeit mir gegenüber.
Vogt: Sicherlich hat die Würzburger Stadtbücherei einen hervorragenden Ruf, diese Aufgabe kann schon beeindrucken. Gut finde ich in jedem Fall, dass die Stelle extern besetzt wird. So kommen neue Impulse von außen. Mehr kann ich dazu nicht sagen, denn die Besetzung der Leiterstelle gehört nicht zu meinen Aufgaben.
Vogt: Ich denke, dass das eine Weile nachhält, weil zum Konzept gehörte, intensiv mit den Mitarbeitern zu arbeiten, sie zu schulen, die besonderen Fähigkeiten des Einzelnen zu suchen und zu fördern. Etwa den Cineasten, der den Aufbau der DVD-Abteilung übernimmt oder die ausgebildete Erzieherin, die dann die Bücherbabys betreut. So ist in Würzburg im Lauf der Jahre ein Topteam gewachsen, das mir menschlich gesehen fehlt! Wenn jemand halbwegs ein Händchen hat, mit Menschen umzugehen, dann läuft das sicher gut weiter.
Vogt: Das kann man so nicht sagen. Es ist generell nicht üblich, Dienststellenleiter im Stadtrat zu verabschieden, insofern wäre es ein Präzedenzfall gewesen. Das ist also ganz in Ordnung. Außerdem hat mir der Oberbürgermeister während einer Sitzung des Kultur- und Schulausschusses für meine Arbeit gedankt und mich verabschiedet – und dies ganz außerhalb der Tagesordnung. Das hat mich gefreut. Sehr nett fand ich auch, dass er am Ende eines langen Arbeitstages noch zu meinem Abschiedsfest kam - und er hatte sogar ein kleines Präsent dabei!
Vogt: Ich habe schon als Kind gerne gelesen, bin bereits im ersten Schuljahr alleine in die Stadtbibliothek in Marktbreit und habe mir einen Ausweis geholt. Damals gab es immer noch Leseheftchen, in die die ausgeliehenen Bücher eingetragen wurden. Ich war immer ganz stolz, wenn ich wieder ein Heft voll hatte.
Vogt: Bibliothekarin bin ich geworden, weil es ein sehr vielseitiger Beruf ist, man viel mit Menschen zu tun hat. Meine Lesegewohnheiten haben sich nicht verändert. Literatur und Lesen werden in der Öffentlichkeit meist mit Bibliotheken assoziiert. Unsere Hauptaufgabe ist jedoch die Informationsvermittlung: Sachliteratur wird am häufigsten ausgeliehen.
Vogt: Es muss mich fesseln. Wenn es mir nach 50 Seiten nicht gefällt, lege ich es aus der Hand.
Vogt: Mein Leseinteresse ist sehr breit gestreut: Zeitgenössische deutsche Literatur, gerne auch amerikanische Autoren, zur Entspannung Krimis – und Sachliteratur aus den Bereichen Marketing und Management für den Beruf. Einer meiner Lieblingsautoren ist Philip Roth.
Vogt: Gut, die Mentalität der Leute macht es einem einfach. Ich wurde im Haus und in der Stadt mit offenen Armen empfangen.
Vogt (lacht): Ich arbeite daran. Ich habe viele Kontakte geknüpft, merke bei Terminen, dass ich Leute kenne und diese mich, obwohl die Stadt so groß ist. Auch vom 'Würzburg-Fanclub' waren schon Gäste da. Da gab es eine lustige Begebenheit: Ein Herr mit fränkischer Sprachmelodie hat angerufen und sich als Vorsitzender des Hanne-Vogt-Fanclubs ausgegeben. Ich war nicht da, im Vorzimmer hat man nicht schlecht gestaunt.
Vogt: Wunderbar. Aber noch habe ich nicht alle Marken durch, es gibt also noch keine Lieblingsmarke.
Vogt: Die Verfahren sind etwas komplizierter, weil die Verwaltung wesentlich größer und stärker zentralisiert ist. In der Bibliothek gibt es für alle Bereiche Abteilungsleiter, ich muss also noch vernetzter arbeiten als in Würzburg, wo ich für viele Dinge als Einzelperson stand. Meine Begeisterung, meinen Elan für eine Sache kann ich bei einer direkten Verhandlung anders vermitteln, als wenn ein Dritter weitertragen muss, was ich in einer Besprechung gesagt habe.
Vogt: Die Bibliothek muss technisch auf den neuesten Stand gebracht werden. Potenzial und Struktur sind gut, aber baulich und EDV-technisch muss viel getan werden. Einiges ist bereits auf den Weg gebracht.
Vogt: Es sind keine neuen Projekte angestoßen worden. Und wenn jemand weiß, dass er in den Ruhestand geht, lässt der Elan manchmal etwas nach. Den daraus resultierenden Innovationsstau beginne ich gerade zu beheben.
Vogt: Eine Weile. Würzburg war ein kleines Boot, das man schnell steuern konnte, hier ist ein Riesentanker. Jede Bewegung, erst recht ein Richtungswechsel, dauert etwas länger. Andererseits: Als Würzburg „Bibliothek des Jahres“ wurde, war Köln auf Platz zwei. So ganz weit weg ist es also auch nicht.
Vogt: Die Stadt hat auch nicht weniger Geld als Würzburg, insofern gibt es keine allzu große Änderung für mich. Die Ausgabendisziplin ist bereits sehr hoch, es gibt aber noch finanzielle Gestaltungsräume. Man muss nur sehr genau hinschauen.
Vogt: Allein durch die Anzahl der Kolleginnen und Kollegen verfüge ich über ein größeres Potenzial. Das erleichtert es, weitere und andere Schwerpunkte zu setzen. Beispielsweise hat in Köln die Arbeit mit Migranten einen ganz anderen Stellenwert – dort haben etwa 40 Prozent der Einwohner Migrationshintergrund.
Vogt: Es gab weniger Personal, also musste ich mich in vielen Bereichen stärker persönlich einbringen. In Köln bin ich mehr auf die Mitarbeiter angewiesen. Das ist es, was ich mit dem Tanker meinte. Meine Begeisterung, meinen Elan für die Sache kann ich bei einer direkten Verhandlung anders vermitteln und jemand ins Boot holen, als wenn ein Dritter weitertragen muss, was ich in einer Besprechung gesagt habe. Hier kann ich Dinge weniger einfach selbst beeinflussen – dennoch gelingt es!
Vogt: Man muss sich anfangs fragen: Was gibt es schon auf dem Markt? In Würzburg gab es eine Marktlücke. Die Literaturtage waren gerade etwas am Versanden und wir haben gesagt: Okay, hier besteht Bedarf für eine stringente Reihe. In Köln hingegen gibt es das größte deutsche Literaturfestival, die lit.COLOGNE, ein Literaturhaus und viele große, aktive Buchhandlungen. Es würde also wenig Sinn machen, noch mal Vergleichbares anzubieten. Andererseits ist es für die Bibliothek wichtig, sich auch als kulturelle Bildungseinrichtung zu positionieren. Die Analyse hat ergeben, dass es im Sachbuchbereich noch Lücken gibt: Das neue Veranstaltungsformat der Stadtbibliothek Köln heißt „wissenswert!“ und behandelt aktuelle, manchmal auch kontroverse, Themen unter verschiedenen Blickwinkeln. Ein Veranstaltungsblock heißt zum Beispiel „Ach Gott“ – Urknall oder Urvater. Physik trifft auf Religion, die beiden Formen der Welterklärung werden beleuchtet. Die Autoren müssen in ihrem Fach bekannt sein und natürlich ein Buch zum Thema geschrieben haben. Die Veranstaltungen werden immer von einem Profi, meist einem Rundfunk- oder Zeitungsjournalisten moderiert. Ein weiteres Thema ist „Weisheit“, demnächst steht „Schönheit“ auf dem Programm. Die Veranstaltungen waren bisher immer ausverkauft, 150 Leute sind hier das räumliche Maximum.
Vogt: Köln ist die größte Universitätsstadt des Landes mit etwa 70 000 Studenten, da gibt es Potenzial genug. Über die Sachthemen lässt sich nicht nur das typische Lesepublikum ansprechen, sondern es kommen vor allem themenspezifisch Interessierte. Und es natürlich geht es auch hier über Namen: Zum Thema Weisheit war Gerd Scobel von 3sat da, zur Physik kam Rolf Landua vom Kernforschungszentrum CERN in Genf und über die Muslime in Deutschland las der Autor Navid Kermani unter dem Titel „Wer ist Wir?!“. So bringt man immer wieder andere Menschen ins Haus.
Vogt: Ich arbeite daran (lacht). Ich habe schon viele Kontakte geknüpft, merke bei Terminen, dass ich Leute kenne und diese mich, obwohl die Stadt so groß ist. Auch vom „Würzburg-Fanclub“ waren schon Gäste da. Da gibt es eine lustige Begebenheit: Ein Herr mit fränkischer Sprachmelodie hat angerufen und sich als Vorsitzender des Hanne-Vogt-Fanclubs ausgegeben. Ich war nicht da, im Vorzimmer hat man nicht schlecht gestaunt und eine entsprechende Notiz für mich hinterlassen. Man weiß ja nie?
Vogt: Ich plane nicht mehr zu lange im Voraus, weil oft alles anders kommt, als man es sich vorgestellt hat. Ich könnte mir unser Haus bei Würzburg als Alterssitz vorstellen, aber jetzt bin ich offen für Neues – und wer weiß, was dann sein wird. Mein Ehemann konnte seine Arbeitszeit reduzieren, so dass mein Privatleben kaum leidet. Wir entdecken gerade zusammen eine neue Stadt, die Menschen, die Museen, die Kultur.
Vogt: Obwohl es hier den Rhein gibt, bin ich bei jedem Würzburg-Besuch auf der Alten Mainbrücke. Das ist mein Lieblingsplatz. Ansonsten sind es Menschen, die auch mich vermissen, die anrufen oder sogar zu Besuch kommen. Wenn ich nach Würzburg komme, sind meistens schon einige Treffen organisiert.
Vogt: Ich habe noch in Würzburg mitbekommen, dass sich die einen furchtbar aufregen, wenn man zu Würzburg Provinz sagt. Und die anderen fragen: Wo bitte ist das Weltniveau?
Vogt: Wow, danke. Das ist ja sehr schmeichelhaft.
Zur Person
Dr. Hannelore Vogt ist Diplom- Bibliothekarin und promovierte Kulturmanagerin. Sie wurde 1958 in Marktbreit geboren, ist verheiratet. Zu ihrem Arbeitsgebiet gehört u. a. das Haus der Kölner Autoren mit dem Heinrich-Böll-Archiv.