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BERLIN
Mit Copy & Paste zum Doktortitel
reda
 |  aktualisiert: 06.01.2015 17:42 Uhr

Der Doktortitel am Praxisschild ist vielen Medizinern wichtig – immerhin 70 Prozent der Studenten schreiben deshalb ihre Doktorarbeit. Doch längst nicht jeder angehende Hausarzt ist leidenschaftlicher Wissenschaftler. Die Versuchung, den Titel mit relativ geringem Aufwand zu erlangen, ist in der Medizin deshalb groß, beklagen Experten seit langem. Neben Münster ist in diesem Jahr auch Berlin als zweiter „Hotspot“ ins Visier von Plagiatsexperten geraten. Auf der VroniPlag Wiki-Liste tauchten bis Dezember allein 31 potenziell gefälschte Medizin-Dissertationen und Habilitationsschriften auf, die an der Charité entstanden sind.

Nach und nach wollen die Berliner Informatikerin Debora Weber-Wulff (Hochschule für Technik und Wirtschaft) und Mitstreiter der Rechercheplattform VroniPlag Wiki rund 50 000 Doktorarbeiten und Habilitationsschriften deutscher Hochschulen überprüfen – überwiegend aus der Human- und Zahnmedizin. „Das bietet sich an, weil die Arbeiten meist kurz sind“, sagt Weber-Wulff. Von 2011 bis Dezember 2014 sind bei VroniPlag Wiki insgesamt 134 plagiierte Doktorarbeiten und 7 Habilschriften dokumentiert worden – nach Durchlaufen des mehrstufigen Prüfverfahrens auch mit Autorennamen.

Interessantes trat dabei zutage: In Münster beispielsweise zwei fast identische zahnmedizinische Arbeiten, die über Affen-Netzhäute verfasst wurden. In Berlin unter anderem ein Cluster von sechs Doktoranden der Zahnmedizin, die alle mit ähnlichem Material beim selben Professor promovierten. „Dieser Professor ist mittlerweile nicht mehr an der Charité“, sagt Volker Bähr, der dort das Büro für Gute Wissenschaftliche Praxis leitet. Auf seinem Tisch landen auch die Eingaben von VroniPlag Wiki. „Die machen gute Arbeit“, sagt Bähr. Dennoch dauert ein eigenes Überprüfungsverfahren an den Universitäten oft noch viele Monate. Denn auch hier wird mit Hilfe mehrerer Ombudsleute mehrstufig überprüft – und zunächst Quellen und Datenrichtigkeit gecheckt. „Bestätigt sich der Verdacht, dann wird ein Hauptverfahren eröffnet“, sagt Bähr. Bislang wurde an der Charité jedoch nur ein Doktortitel entzogen und eine Habilschrift als Autoplagiat gerügt. Das heißt: Der angehende Professor hatte von sich selbst aus früheren Arbeiten abgeschrieben. Ein Teil des potenziellen Problems scheint dabei schon im System angelegt zu sein, denn Doktoranden arbeiten bei ihren Versuchen oft im Team zusammen. „Aber wer dann was auswertet und die Daten verwendet – da gibt es oft zu wenig Trennschärfe und Transparenz», beklagt Bähr. Und das Problembewusstsein fehlt. Auch bei manchen Doktorvätern. „Vor allem in der älteren Generation sind sich viele gar keiner Schuld bewusst. Mit der Einstellung 'Das haben wir immer schon so gemacht' werden sie zu schlechten Vorbildern“, sagt Bähr.

Schwierig wird es deshalb beim Umgang mit den Ertappten: „Ich wünsche mir, dass auch die Aberkennung eines Titels veröffentlicht wird“, sagt Weber-Wulff. Auch Bähr findet dies nicht unberechtigt: „Die Verleihung des Doktortitels ist ja auch ein öffentlicher Akt.“ Trotzdem sind die Spielräume für die Unis eng. „Es drohen Klagen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts“, sagt Bähr. Früher, so betont Weber-Wulff, seien entzogene Doktortitel zumindest im Anhang zum Jahrbuch der Hochschulschriften publiziert worden.

Droht einem Doktorvater, der mehrere gefälschte Arbeiten betreut und durchwinkt, überhaupt irgendeine Konsequenz? „Solche Doktorväter können wir gegebenenfalls rügen, ihnen eventuell Lehrveranstaltungen entziehen oder die Erlaubnis, Doktorarbeiten zu betreuen“, sagt Bähr. „An einer anderen Uni können sie das dann jedoch vielleicht trotzdem wieder tun. Das Wissenschaftsrecht ist nicht besonders stark ausgeschrieben.“ Ebenso wie Weber-Wulff glaubt auch Bähr, dass ein differenzierter Doktorabschluss nach US-Vorbild weiterhelfen könne – eine einfachere Variante (MD) für alle Praktiker und eine wissenschaftlich anspruchsvollere (PhD) für diejenigen, die weiterforschen wollen.

 
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