Unter den Fans von Helmut Kohl ist er einer der größten – und einer der jüngsten. In einem Alter, in dem andere Jungs sich für alles interessieren, nur nicht für die Politik, schwärmt Philipp Mißfelder für den Altkanzler wie seine Schulfreunde im Ruhrgebiet für Schalke 04, das Mädchen von nebenan oder die neuesten Sterne am Pop-Himmel. Mit 14 Jahren tritt der Sohn eines Stahlarbeiters 1993 in die Junge Union ein, sechs Jahre später sitzt er bereits im Bundesvorstand der CDU. „Da ich nur linke Lehrer hatte“, erzählt er gerne, „war es schon eine Provokation, wenn ich Kohl verteidigt habe.“
In der Nacht zum Montag ist Mißfelder, verheiratet und Vater zweier Töchter, im Alter von nur 35 Jahren an einer Lungenembolie gestorben. „Wir sind bestürzt, fassungslos und traurig“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder.
Mißfelders Gespräch mit Putin
Lange Zeit gilt Mißfelder als eines der größten Talente der CDU, versiert in der Außenpolitik, geschickt im Eigenmarketing und fest auf dem konservativen Flügel verortet. Umso irritierter registrierten viele Parteifreunde im vergangenen Jahr jedoch, wie ausgerechnet der Abgeordnete Mißfelder auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise bei einer Party in Sankt Petersburg mit Wladimir Putin auf den Geburtstag von Altkanzler Gerhard Schröder anstößt. Was er selbst als „ernsthaftes Gespräch“ mit dem russischen Präsidenten verteidigte, empfindet damals nicht nur der CSU-Mann Hans-Peter Uhl als „instinktlos“. Der ebenfalls erst vor kurzem verstorbene Fraktionsvize Andreas Schockenhoff befindet gar: „Das reicht.“
Kauder belässt es bei einem Rüffel für Mißfelder, wohl wissend, dass es in dessen Generation nicht viele gibt, die sich in der alternden Union schon für höhere bis höchste Ämter empfohlen haben. Dass er in seiner wilden Phase einmal vorgeschlagen hat, die Krankenkassen sollten Rentnern ab dem 85 Lebensjahr keine künstlichen Hüftgelenke mehr bezahlen? Verziehen und vergessen.
Die Aufregung um den Milchbubi mit dem kühlen Herzen nutzt dem JU-Chef sogar, weil sie ihn über Nacht bundesweit bekannt macht. Zwei Jahre später sitzt der gebürtige Gelsenkirchener im Bundestag, mit 26 Jahren. „Ein Vollblutpolitiker“, wie Bundestagspräsident Norbert Lammert anerkennend notiert. „Ihm gelang früher als vielen anderen, in der Politik Einfluss zu nehmen.“
Mißfelder kokettiert zwar gerne damit, er stehe nicht auf Angela Merkels Förderliste. Er weiß aber auch, dass die Zeit in der Union schon für ihn arbeiten wird – zumindest bis zu jenem Abend in Sankt Petersburg. Seitdem ist er nicht mehr der kleine Kohl von der Jungen Union, sondern der Mann, der sich schleichend selbst demontiert.
Beratervertrag mit Verlag
Der Mann, der für eine sechsstellige Summe im Jahr einen Glamour-Verlag berät, der mit dem autoritären Regime in Turkmenistan kungelt und sich in ein deutsch-russisches Gremium berufen lässt, das vom Energieriesen Gazprom gefördert wird. Der sein Amt als Amerika-Beauftragter der Bundesregierung ohne Not aufgibt, weil es sich angeblich nicht mit dem des CDU-Schatzmeisters in Nordrhein-Westfalen verträgt.
Gegen Zeitungen, die Licht in dieses Dickicht aus privaten Interessen und politischen Widersprüchen bringen wollen, setzt er ganze Anwaltskanzleien in Marsch. Ausgerechnet Philipp Mißfelder, der früher keinen Interviewwunsch ausgeschlagen und sich bei den Hauptstadtjournalisten jedes Jahr kurz vor Weihnachten mit langen Briefen bedankt hat. Noch im Dezember 2013 schreibt er: „Ich freue mich sehr auf die weitere Zusammenarbeit.“
Lungenembolie
Mediziner bezeichnen als Lungenembolie den Verschluss einer Lungenarterie. Ursache ist meist ein eingeschwemmtes Blutgerinnsel aus dem Bein- oder Beckenbereich. Diese Gerinnsel werden Thromben genannt. Werden sie fortgeschwemmt, können sie in einem Blutgefäß der Lunge steckenbleiben und dieses verstopfen. Wird ein größeres Gefäß verschlossen, besteht Lebensgefahr.
Eine Lungenembolie kann zu Atemnot, blutigem Auswurf und durch eine Überlastung der rechten Herzkammer zum Tod durch Herzversagen führen. Das Risiko einer Lungenembolie steigt unter anderem bei längerer Bettlägerigkeit, aber auch nach Operationen, Entbindungen oder bei manchen Vorerkrankungen wie Blutgerinnungsstörungen. In Deutschland sterben jährlich 40 000 bis 100 000 – vorwiegend ältere – Menschen an einer Lungenembolie, schätzt Prof. Rupert Bauersachs vom Klinikum Darmstadt. Text: dpa