Trotz Sommerhitze und Ferienstimmung sind in Rom derzeit alle Augen auf das Parlament gerichtet. Die Abgeordneten des Senats sollen am Dienstag über den Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Giuseppe Conte abstimmen. Weil Matteo Salvini, Innenminister, Vizepremier und Chef der rechten Lega, vergangene Woche das Ende der Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung verkündete, müssen die Parlamentarier aus der Sommerpause kommen, um offiziell das Ende der Regierung Conte zu besiegeln. Die entscheidenden Momente in der italienischen Regierungskrise spielen sich jedoch in den Hinterzimmern ab. In einem der wichtigsten Treffen dieser Tage hat ein uralter Bekannter der römischen Ränkespiele die herausragende Rolle inne: Silvio Berlusconi.
Der 82-Jährige verfügt noch über Einfluss in Rom
Der viermalige Premierminister will dieser Tage Lega-Chef Salvini treffen, beide Politiker sind derzeit aufeinander angewiesen. Der Medienunternehmer aus Mailand ist bereits 82 Jahre alt, verfügt aber immer noch über einigen Einfluss in Rom. Berlusconis Partei Forza Italia hat 104 Parlamentarier im Abgeordnetenhaus und 62 Senatoren, die bei den anstehenden Entscheidungen ein wichtiges Wort mitreden können.
Während Lega-Chef Salvini, gestützt von ausgezeichneten Umfragewerten, baldige Neuwahlen anstrebt, formiert sich in Rom eine Allianz, die diesen Plan verhindern will. Die Berlusconi-Parlamentarier könnten zum Zünglein an der Waage werden, wenn es darum geht, den Weg für Neuwahlen noch im Herbst freizumachen. Dafür verlangt der Profi-Verhandler und EU-Parlamentarier Berlusconi Gegenleistungen – etwa die Beteiligung an der zukünftigen Regierung unter einem Premier Salvini.
Spielen der 82-jährige Ex-Premier und seine Gefolgsleute nicht mit, nimmt er dem Umfrage-König Salvini den Wind aus den Segeln, der aktuell mit bis zu 40 Prozent der Stimmen rechnen kann. Den Preis, den Berlusconi dem Vernehmen nach fordert, ist ein Wahlbündnis, wie es schon vor den vergangenen Wahlen Bestand hatte. Damals traten Forza Italia, Lega und die Rechtsaußen-Partei Fratelli d'Italia gemeinsam an. Salvini ging dann nach der Wahl dennoch ein Regierungsbündnis mit den Linkspopulisten der Fünf-Sterne-Bewegung ein, das er nun nach 14 Monaten wieder platzen ließ. Nun soll die alte Koalition wieder aufleben. „Ich werde ihnen eine Pakt anbieten“, kündigte Salvini in einem Interview an.
Eine Anti-Salvini-Allianz arbeitet auf eine Übergangsregierung hin
Auf regionaler und kommunaler Ebene paktieren Lega und Forza Italia mehrfach, nicht zuletzt in zehn der 20 italienischen Regionen. Salvini ist vor allem in der aktuellen Phase auf Unterstützung im nationalen Parlament angewiesen, das den Weg für baldige Neuwahlen freimachen kann. Seine Lega verfügt im Senat, der entscheidenden Kammer, nur über 58 Abgeordnete. Weil die meisten anderen Parteien bei den Italienern derzeit weniger punkten und deshalb keine Neuwahlen wollen, formiert sich eine Anti-Salvini-Allianz im Parlament. Diese arbeitet auf eine Übergangsregierung hin.
Zu dem Block zählt nicht nur die Fünf-Sterne-Bewegung, bisher Koalitionspartner der Lega und im aktuellen Parlament am stärksten vertreten. Sterne-Gründer und Komiker Beppe Grillo gab bereits die Losung aus, man müsse Italien nun vor den „neuen Barbaren“ retten, also alles Mögliche gegen den von seiner Bewegung mitgetragenen Rechtskurs des bisherigen Koalitionspartners Lega unternehmen. Eine Übergangsregierung solle die Zahl der Parlamentarier reduzieren, fordern die Grillini.
Macht Matteo Renzi es dem französischen Präsidenten nach?
Auch der sozialdemokratische Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi mischt hinter den Kulissen wieder kräftig mit und droht die Demokratische Partei (PD) zu spalten. Der 44-jährige Senator Renzi sprach sich für die Bildung einer Übergangsregierung aus, die die bereits geplante Mehrwertsteuererhöhung verhindern und den Haushalt für 2020 verabschieden soll. PD-Parteichef Nicola Zingaretti hingegen strebt Neuwahlen an, nicht zuletzt, um seinen Führungsanspruch in der Partei auch mit ihm gewogenen Abgeordneten zu untermauern.
Wie Berlusconi hat auch der frühere PD-Chef Renzi mit Dutzenden Gefolgsleuten im Parlament noch einigen Einfluss. Gemunkelt wird in Rom seit Monaten auch über seine Gründung einer neuen Partei der Mitte nach dem Vorbild von „En Marche!“ des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Für die Bildung dieser neuen Formation braucht Renzi offenbar noch Zeit, will also baldige Neuwahlen verhindern.
Über die Auflösung des Parlaments oder die Bildung einer neuen Exekutive entscheidet letztendlich Staatspräsident Sergio Mattarella. Der weilt derzeit allerdings noch in den Ferien auf Sardinien. Wie es heißt, verfolgt der 78-Jährige die römischen Ränkespiele mit größter Aufmerksamkeit.