(dpa/rtr) Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat sich für kräftige Lohnerhöhungen in der anstehenden Tarifrunde ausgesprochen und damit für Irritationen in der Koalition gesorgt. Nach der Lohnzurückhaltung der letzten Jahre müssten die Arbeitnehmer jetzt an den Erfolgen der Wirtschaft beteiligt werden, forderte sie in der „Bild am Sonntag“.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), kritisierte den Vorstoß. „Die Politik soll sich grundsätzlich aus der Lohnfindung heraushalten“, sagte er der Zeitung „Sonntag aktuell“. Ähnlich äußerte sich sein FDP-Kollege Heinrich Kolb. Der stellvertretende IG-Metall-Chef Detlef Wetzel begrüßte den Vorstoß, appellierte aber auch an die Ministerin, sich selbst für Verbesserungen einzusetzen. Scharfe Kritik kam aus dem Arbeitgeberlager: „Niemand muss uns belehren, was wir unseren Mitarbeitern schulden“, sagte Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser der „Berliner Zeitung“. Es sei die Inflationsrate, die die Unternehmen belaste und diese setze sich zu mehr als der Hälfte aus gestiegenen Energiekosten zusammen, monierte Kannegiesser.
Von der Leyen sprach sich für spürbare Lohnerhöhungen oberhalb der Inflationsrate aus. „In den letzten Jahren haben wir in Deutschland gemeinsam fleißig gearbeitet und Lohnzurückhaltung geübt, damit wir gut aus der Krise kommen“, sagte sie. Nun fahre die deutsche Wirtschaft ordentliche Gewinne ein. „Jetzt müssen die Arbeitnehmer daran beteiligt werden, und sie müssen das Plus auch spüren.“ Im vergangenen Jahr lag die Inflationsrate bei 2,3 Prozent.
Fuchs hielt dem entgegen, es sei nicht sicher, ob die wirtschaftliche Entwicklung so weitergehe. „Ich halte es nicht für klug, Arbeitgebern und Gewerkschaften Vorgaben zu machen, die wissen viel besser, was machbar ist und was nicht“, sagte er.
FDP-Fraktionsvize Kolb warnte ebenfalls vor Einmischungen in die Tarifautonomie. „Die Tarifpartner brauchen keine externen Regelanweisungen“, sagte er „Sonntag aktuell“. Die Beteiligung an Erfolg und Wohlstand finde auch dadurch statt, „dass sehr viel mehr Menschen als früher einen Arbeitsplatz besitzen und am Erwerbsleben teilnehmen“.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast gab von der Leyen in der Sache recht. „Nach langer Zurückhaltung und aktueller Exportrekorde sind höhere Lohnabschlüsse eine Frage der Gerechtigkeit.“ Es gehe in der Tarifrunde um eine Erfolgsdividende der Beschäftigten. Künast forderte von der Ministerin allerdings Fortschritte beim Thema Lohnuntergrenze: „Die Nagelprobe ihrer Worte wird die Tat sein – der Mindestlohn“, sagte sie dem Blatt.
„Das Gerechtigkeitsempfinden von Frau von der Leyen kann ich nur begrüßen“, erklärte IG-Metall-Vize Wetzel. Allerdings könne sie sofort selbst die Voraussetzungen schaffen, um Niedriglöhne einzudämmen. „Um bei der Leiharbeit den Grundsatz ,Gleiche Arbeit – gleiches Geld‘ sicherzustellen, brauchen wir ein Equal-Pay-Gesetz, ein Synchronisationsverbot und ein Arbeitnehmer-überlassungsgetz. Das ist Aufgabe der Politik, an diesen notwendigen Taten werden wir die Arbeitsministerin messen“, sagte Wetzel.