Dies ist der Kampf meines Lebens!“, hallt eine altbekannte Stimme durch die Time Warner Arena in Charlotte: „Neue Hoffnung, dass wir den alten Stillstand durchbrechen und garantieren, dass jeder Amerikaner – Nord, Süd, Ost, West, jung, alt – eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung hat, als Recht, nicht als Privileg!“ Die Stimme rührt an die Seele der Partei, sie gehört Edward Kennedy, dem vor drei Jahren verstorbenen Senator aus Massachusetts, der schon zu Lebzeiten zur Legende wurde. Ein eindrucksvolles Gedächtnisvideo durchmisst Stationen von Kennedys politischem Leben. Nachdrücklich erinnert der Film an die Übergabe des Erbes, das Kennedy zu Lebzeiten mit dem aufstrebenden Obama inszeniert hat, jenem Obama, der die Gesundheitsreform dann tatsächlich zuwege brachte. In der Halle herrscht Begeisterung, als die Bildschirme eine Podiumsdiskussion zeigen, bei der Kennedy seinen Gegner als Wendehals entlarvt und vernichtend schlägt – die Diskussion fand 1994 in Boston statt, Kennedys Gegenüber damals hieß Mitt Romney.
Eine Woche nach dem Parteitag der Republikaner, in dem jener Mitt Romney zum Präsidentschaftskandidaten gekürt wurde, haben die Demokraten von Amtsinhaber Barack Obama in Charlotte (US-Staat North Carolina) ihren eigenen Nominierungskonvent begonnen. Der Hauptunterschied zum großräumig abgesperrten Hochglanzkongress der Opposition liegt in der Stimmung der Delegierten selbst: Sollte irgendjemand gezweifelt haben, ob das Feuer der Obama-Begeisterung von 2008 noch einmal anzufachen wäre – um die Delegierten in der Arena von Charlotte zumindest muss man sich keine Sorgen machen.
Als spät am Abend First Lady Michelle Obama die Bühne betrat, sprang das Publikum auf. In kurzem, flamingofarbenem Kleid schilderte die Präsidentengattin die einfachen Umstände, unter denen sie und ihr Mann groß geworden seien. Was sie verbinde, seien die Wertmaßstäbe ihrer Familien: Sie hätten andere nicht um ihren Erfolg beneidet, sondern an das amerikanische Versprechen geglaubt, dass jeder eine Chance hat. Barack Obamas Porträt war vordergründig unpolitisch, aber erkennbar als Kontrast zu Kampagne und Person des Herausforderers angelegt. „Wenn man hart gearbeitet und sich gut geschlagen und Chancen bekommen hat, dann wirft man die Tür nicht hinter sich zu. Man reicht seine Hand nach hinten und gibt anderen die gleichen Chancen, die einem selbst zum Erfolg verholfen haben!“
Zahlreiche Redner hatten zuvor die Sparprogramme des reichen Gouverneurssohnes Romney gegeißelt. Eine lange Reihe von weiblichen Rednern beschwor den Rückfall in die 50er Jahre, sollten die Republikaner gewinnen. Und ehemalige Republikaner selbst beklagten, die heutige Grand Old Party habe mit konservativen Idealen nichts mehr zu tun, ihre Finanzpläne seien unverantwortlich.
Das Erstaunlichste allerdings war die Energie, mit der sich fast alle Redner zur Bilanz des Amtsinhabers bekannten. Bis zur Entscheidung des Supreme Court hatten viele in der Partei sich zur Gesundheitsreform nur zögernd geäußert, jetzt wird sie als historische Errungenschaft verkauft. Gleiche Bezahlung für Frauen, mehr Rechte für Homosexuelle, die Rettung der Autoindustrie, verbesserte Bildungschancen, mehr Sozialprogramme, Steuersenkungen für kleine Unternehmen und Familien, die Reform des Bankensektors, der Tod Osama bin Ladens, das Ende des Kriegs im Irak, neues internationales Ansehen – all diese Dinge präsentierten die Redner als Beleg dafür, dass der Wandel, den Obama 2008 versprach, längst begonnen hat. Die neue Agenda der Partei, die ebenfalls am Dienstag beschlossen wurde, enthält dabei auch Forderungen, die öffentlich weniger lautstark vertreten werden, zum Beispiel Verschärfungen beim Waffenrecht.
Mit politischen Schwergewichten wie Vizepräsident Joe Biden und Ex-Präsident Bill Clinton sollte das Profil bis zum heutigen Donnerstagabend noch geschärft werden: Dann wird Präsident Barack Obama selbst 70 000 Zuhörern und Millionen Fernsehzuschauern daheim erklären, warum sie ihn für eine zweite Amtszeit wählen sollen.
Liebe und Wahlkampf
Die Ehefrauen der beiden Kontrahenten bei der US-Wahl am 6. November, Michelle Obama und Ann Romney, haben versucht, mit emotionalen Reden bei den Parteitagen Sympathiepunkte zu sammeln. Ein Vergleich: Zentrale Zitate von Michelle Obama: „Ich habe aus erster Hand erfahren, dass Präsident zu sein Dich nicht verändert – es zeigt, wer Du bist.“ „Wir waren so jung, so verliebt und so verschuldet.“ „Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich ist, aber heute liebe ich meinen Mann sogar noch mehr als vor vier Jahren.“ Zentrale Zitate von Ann Romney: „Ich liebe ihn immer noch, den Jungen, den ich auf einem Highschool-Tanzabend kennengelernt habe.“ „Mitt und ich führen eine echte Ehe.“ „Ihr könnt Mitt vertrauen. Er ist der Mann, den Amerika braucht. Er wird nicht versagen.“ Enthüllungen von Michelle Obama: „Ich konnte tatsächlich den Asphalt sehen durch ein Loch in der Beifahrertür.“ (Barack Obama hat sie früher zu Verabredungen mit einem durchgerosteten Auto abgeholt.) „Er war der Typ, dessen stolzester Besitz ein Couchtisch war, den er im Abfall gefunden hat; und dessen einziges Paar vernünftiger Schuhe eine halbe Größe zu klein war.“ Enthüllungen von Ann Romney: „Wir zogen in eine Kellerwohnung. Wir sind zu unseren Kursen gegangen, haben uns die Hausarbeit geteilt und aßen eine Menge Pasta und Thunfisch. Unser Esstisch war ein herunterklappbares Bügelbrett in der Küche.“„Ich war da, als er und eine kleine Gruppe von Freunden darüber sprachen, eine neue Firma zu starten. Ich war da, als sie strauchelten und sich fragten, ob die ganze Idee funktioniert.“