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BERLIN
Merz und die CSU: Zwischen Liebe und Hass
Pressekonferenz Friedrich Merz       -  Friedrich Merz hat seine eigene Partei regelrecht elektrisiert – aber auch die CSU könnte mit ihm als CDU-Chef gut leben. Das Rennen um Angela Merkels Nachfolge an der CDU-Spitze ist jedenfalls eröffnet. Hinter den Kulissen werden die eigenen Truppen gesammelt – und erste programmatische Pflöcke eingeschlagen.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa | Friedrich Merz hat seine eigene Partei regelrecht elektrisiert – aber auch die CSU könnte mit ihm als CDU-Chef gut leben. Das Rennen um Angela Merkels Nachfolge an der CDU-Spitze ist jedenfalls eröffnet.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 02.04.2019 13:03 Uhr

Berlin Friedrich Merz greift nach dem CDU-Vorsitz und weckt damit nicht nur in der eigenen Partei große Hoffnungen. Auch in der CSU genießt Merz viele Sympathien. Nicht wenige Christsoziale wünschen sich den 62-jährigen Sauerländer sogar als kommenden Kanzlerkandidaten der Union. Vieles, wofür Merz steht, passt auch zum inhaltlichen Profil der CSU. Doch die Geschichte, die Friedrich Merz und die CSU verbindet, ist keine einfache. Sie handelt von großer Liebe, aber auch von Enttäuschung, manche sagen gar: Verrat.

In den Ereignissen, die die vielversprechende politische Karriere von Friedrich Merz zunächst befördert und dann zu ihrem – vorläufigen – Ende gebracht haben, spielen CSU-Politiker eine entscheidende Rolle. Es gibt nicht mehr allzu viele Personen, die sich noch an die Details erinnern können. Einige, die damals schon die Geschehnisse mitbestimmten, reden nur unter der Bedingung, dass ihre Namen nicht genannt werden. Alle Schilderungen kreisen um den 23. September 2002, einen Montag. Tags zuvor hatten die Deutschen den 15. Bundestag gewählt, bemerkenswert war, dass die SPD nur rund 6000 Zweitstimmen mehr als die Union holte, beide landeten damit bei 38,5 Prozent der Wählerstimmen. SPD-Kanzler Gerhard Schröder konnte mit den Grünen weiterregieren. Den Ausschlag für den knappen Sieg, so glaubten viele, hatten Schröders medienwirksame Gummistiefel-Auftritte beim Elbhochwasser gegeben. Dem Kanzlerkandidaten der Union, CSU-Chef Edmund Stoiber, wurde allgemein ein Achtungserfolg bescheinigt.

In den Gremiensitzungen der Union am Tag nach der Wahl gab es für Stoiber, den knappen Wahlverlierer, viel Lob, auch weil die CSU in Bayern bärenstark abgeschnitten hatte, erinnert sich ein hochrangiger Teilnehmer von damals. Doch gleichzeitig sollten an diesem Tag auch die Weichen für die weitere Zukunft der Union gestellt werden: Angela Merkel, die bereits seit zwei Jahren CDU-Vorsitzende war, griff nun offen auch nach dem Unionsfraktionsvorsitz. Den hatte, ebenfalls zwei Jahre davor, Friedrich Merz übernommen. Beide Funktionen hatte zuvor Wolfgang Schäuble innegehabt.

Merkels Argument für ihren Anspruch, so erinnern sich Beteiligte: Für den Oppositionsführer der kommenden Jahre sei es besser, beide Ämter in einer „gebündelten Funktion“ wahrzunehmen. Und CSU-Chef Stoiber unterstützte sie dabei. Obwohl es, wie sich ein „Zeitzeuge“ erinnert, angeblich eine Absprache mit der CSU gegeben habe, dass Merz nach der Wahl im Amt bleiben solle. Das Verhältnis zwischen Merz und Stoiber galt seinerzeit als ausgesprochen gut, der CDU-Mann war Mitglied in Stoibers Schattenkabinett, das damals „Kompetenzteam“ hieß. Stoiber hatte versprochen, den Rechtsanwalt im Falle seines Wahlsiegs zu seinem Finanzminister zu machen. Doch als es um den Fraktionsvorsitz ging, ließ Stoiber den Sauerländer fallen und gab der ehrgeizigen Frau aus Mecklenburg-Vorpommern den Vorzug. Am Ende dieses Montags stürmte Friedrich Merz wortlos aus der Berliner CDU-Zentrale.

„Ich halte es für einen Fehler, auch aktuell wieder den Eindruck zu erwecken, die Migration sei das Größte aller Probleme.“
Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident in NRW

Auf die Frage, warum Stoiber Merz die Unterstützung versagte, haben mehrere, die damals an den Entscheidungsprozessen beteiligt waren, eine übereinstimmende Antwort. Stoiber sei Merkel noch einen ganz großen Gefallen schuldig gewesen, glauben sie. Denn Merkel hatte zunächst ebenfalls erklärt, dass sie bei der Bundestagswahl 2002 als Kanzlerkandidatin antreten wolle. Doch dann ließ sie Stoiber den Vortritt, ihren Verzicht teilte sie ihm Anfang 2002 beim berühmt gewordenen Frühstück in Stoibers Haus in Wolfratshausen mit.

Ob es dabei ganz konkrete Absprachen gab und welche, das wissen bis heute nur die Beteiligten. Doch Beobachter sind überzeugt: Merkel hatte etwas gut bei Stoiber. Ganz unabhängig davon waren damals in der Union nicht wenige der Meinung, dass sich Merkel am besten als CDU-Chefin und Oppositionsführerin in Personalunion für die nächste Bundestagswahl in Stellung bringen konnte. Bei der sie dann ja auch Kanzlerin wurde.

Stoiber, sagen altgediente CSU-Abgeordnete, hätte Merz auch wohl kaum gegen den Willen Merkels als Fraktionsvorsitzenden retten können. Zumal damals ein weiterer mächtiger Politiker aus dem Süden der Republik Merkel gestützt habe: der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU). Eine Kampfabstimmung hätte für Merz also wenig Erfolg versprochen. Und die Schmach, zu verlieren, wollte er sich ersparen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als den Weg für Merkel frei zu machen.

Zwar dauerte es noch bis 2009, bis Merz sich endgültig aus dem Bundestag verabschiedete, doch den großen Bruch bildete jener 23. September 2002. Ihnen gegenüber, sagen altgediente CSU-Abgeordnete, habe Merz nie so etwas wie Verbitterung erkennen lassen. Im Gegenteil, er habe sich stets daran erinnert, dass die CSU ihm bei seiner Wahl zum Unionsfraktionschef im Jahr 2000 „die Steigbügel gehalten“ habe. Schäuble war damals als Chef der CDU und der Unionsfraktion in den Strudel der CDU–Spendenaffäre geraten und zurückgetreten. Unter anderem CSU-Landesgruppenchef Michael Glos habe im „Gewimmel“ nach dem Schäuble-Rücktritt „die Bataillone für Friedrich Merz gesammelt“. Das Verhältnis zur CSU sei anschließend „blendend“ gewesen.

Unterdessen hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die künftige CDU-Spitze vor einem Rechtsruck der Partei gewarnt. Zugleich distanzierte er sich von Gesundheitsminister Jens Spahn, der den Flüchtlingszuzug als weiterhin gravierendes Problem für Deutschland sieht. Laschet sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Ich halte es für einen Fehler, auch aktuell wieder den Eindruck zu erwecken, die Migration sei das Größte aller Probleme. Diese Analyse ist sachlich und politisch falsch und schadet.“

Spahn will sich neben Annegret Kramp-Karrenbauer und Merz um die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel an der CDU-Spitze bewerben. Laschet, der auch CDU-Vize im Bund ist, will sich dafür einsetzen, dass die Christdemokraten einen „Kurs der Mitte“ nicht verlassen. Er selbst hatte am Mittwoch erklärt, sich nicht für den Vorsitz der Bundes-CDU bewerben zu wollen.

Nach Darstellung des „Spiegel“ wird Merz' Kandidatur von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble befördert. Schäuble soll demnach Merz schon seit einiger Zeit geraten haben, sich auf die Nachfolge Merkels vorzubereiten.

 
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