
Immerhin: Das mit der Begrüßung klappte dieses Mal reibungslos. Es ist kurz vor zwölf Uhr mittags, als Donald Trump die deutsche Kanzlerin bei Nieselregen vor dem Weißen Haus begrüßt. Küsschen rechts, Küsschen links. Kurz darauf, im Oval Office, gratuliert der US-Präsident dem Gast im mittelblauen Blazer noch einmal förmlich zur Wiederwahl: Ich hatte nie einen Zweifel, dass Sie gewinnen würden, sagt Trump und schüttelt demonstrativ die Hand von Angela Merkel. Keine Spur von der Verspanntheit im Jahr 2017, als die beiden so unterschiedlichen Politiker schon bei der Begrüßung nicht zusammenkamen.
Nun also kein schlechter Auftakt für einen schwierigen Besuch, den man in Merkels Umfeld vorsichtshalber zum nüchternen Arbeitstreffen herunterdeklariert hat. Vor einem Jahr war Merkel noch in US-Medien als Führerin der freien Welt begrüßt worden. Diese Rolle hat längst der französische Präsident Emmanuel Macron übernommen, der gerade drei glamouröse Tage mit Trump verbrachte. Für Merkel sind magere zweieinhalb Stunden im Weißen Haus vorgesehen. Natürlich hat die protestantisch-nüchterne Kanzlerin verlauten lassen, dass ihr Pomp und Schmeicheleien ohnehin fremd sind. Am Vorabend nach der Landung ist sie mit einem guten Dutzend Mitarbeiter und Sicherheitsleute kurzerhand zu Fuß in ein Restaurant im Stadtteil Georgetown marschiert und hat einen Cheeseburger mit Speck und Pommes frites bestellt. Als sie das Lokal später verließ, lauerten schaulustige Passanten und Reporter neben den Limousinen vor der Tür. Merkel schlug einen Haken und stürmte zu Fuß zurück in ihre Herberge.
Eine undankbare Rolle
Die Rolle, die ihr im Gespann mit Charmeur Macron zukommt, ist undankbar: Sie ist die Ausputzerin, die letzte Hoffnung vor dem für den 1. Mai angekündigten Strafzöllen auf europäischen Stahl und dem am 12. Mai drohenden Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran. Nach US-Medienberichten hatte Trump im kleinen Kreis erklärt, er freue sich nicht auf die Begegnung mit der sperrigen Deutschen, die sein Ego so gar nicht streicheln will. Nicht einmal „Gastgeschenke“ kann sie ihm bieten: Deutschlands hinkt bei den Verteidigungsausgaben weiterhin hinter der Nato-Richtzahl her. Und der von Trump neurotisch beäugte Handelsüberschuss mit den USA ist zuletzt noch leicht auf 50 Milliarden Euro gestiegen. Doch als Merkel an diesem Freitag das Oval Office betritt, scheinen diese Themen plötzlich weit entfernt. Die Nachricht des Tages kommt aus dem fernen Panmunjom, wo der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un ein neues Kapitel in den Beziehungen zu Südkorea und vollständige nukleare Abrüstung angekündigt hat. Das nimmt einerseits ganz im Sinne Merkels Druck und öffentliche Aufmerksamkeit von ihrer Begegnung mit Trump. Doch es versetzt den unberechenbaren US-Präsidenten, der sich nach dem Staatsbesuch Macrons ohnehin im Aufwind wähnt, geradezu in Euphorie: Der koreanische Krieg endet, hat er in Großbuchstaben getwittert. Natürlich ist er überzeugt, dass seine apokalyptischen Drohungen den kleinen Raketenmann in Pjöngjang weichgeklopft haben.
Das aber macht Merkels Mission noch schwieriger: Trump dürfte sich nun bestärkt fühlen, dass auch im Iran und im internationalen Handel mit maximalem Druck die besten Ergebnisse zu erzielen sind.
Die Europäer hingegen fürchten einen Flächenbrand im Nahen Osten, wenn der Iran-Vertrag gekündigt wird, der den Verzicht auf den Bau einer Atombombe mit wirtschaftlichen Anreizen belohnt. Und sie warnen vor schwersten Verwerfungen, wenn im Welthandel protektionistische Mauern hochgezogen werden. Vorsichtshalber haben Macron und Merkel deshalb die Erwartungen maximal heruntergeschraubt. Er rechne mit der Aufkündigung des Iran-Abkommens durch die USA, erklärte der französische Präsident kurz vor seinem Abflug in Washington. Und ein Berater Merkels räumte ein: Aus heutiger Sicht muss man davon ausgehen, dass die Zölle am 1. Mai kommen. So also ist die Ausgangslage am Freitagmorgen.
Überraschung vom Poltergeist
Eine halbe Stunde bloß sieht Trumps Kalender für das Vieraugengespräch mit Merkel im Oval Office vor. Dann folgt ein anderthalbstündiges Arbeitsessen im Kabinettszimmer mit Beratern. Eigentlich sollte die abschließende Pressekonferenz im Rosengarten stattfinden. Doch das schlechte Wetter erzwingt eine Verlegung ins Weiße Haus, wo Trump und Merkel schon vor 13 Monaten standen und Trump die Besucherin mit der vermeintlich lustigen Bemerkung brüskierte, sie seien beide von Obama abgehört worden.
Dieses Mal hat der Poltergeist eine andere Überraschung vorbereitet: Nach einer monatelangen Hängepartie ist sein neuer Botschafter in Berlin, Richard Grenell, endlich vom Senat bestätigt worden. Der 51-Jährige hatte kürzlich moniert, dass Deutschland sich nicht am Militärschlag gegen Syrien beteiligte.