
Bittstellerin will die Bundeskanzlerin in China nicht sein. Bei aller wachsenden wirtschaftlichen und politischen Bedeutung des Milliardenvolkes will Angela Merkel das an Devisenreserven reiche Land nicht demütig um Geld für das klamme Europa fragen. Stattdessen versucht sie bei ihrem Treffen mit Ministerpräsident Wen Jiabao am Donnerstag in Peking als starke Kanzlerin Deutschlands aufzutreten, die gerade mit anderen Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union den Euro rettet, Schulden abbaut und die Finanzlage stabilisiert. Bloß keine Schwäche zeigen. Das schrecke die Chinesen eher ab, heißt es in Merkels Umfeld.
Das Signal soll sein: Deutschland und die EU haben die Krise im Griff, und China würde von Investitionen nur profitieren. Damit will Merkel Vertrauen schaffen. Keine leichte Aufgabe, denn suspekt ist der chinesischen Führung das europäische Geflecht der nationalen Budgets mit den Hoheiten der Mitgliedstaaten, aber einer gemeinsamen mächtigen Europäischen Zentralbank (EZB), die wiederum keinen Einfluss auf die Länderhaushalte nehmen kann.
Doch auch Vertrauen ist eine fragile Währung, wenn Schlagzeilen über die Pleitegefahr Griechenlands mit dramatischen Auswirkungen auf die Eurozone heftige Irritationen bis nach Peking verursachen.
„Europa muss Klarheit schaffen“
So mochte Wen keine Zusagen für chinesische Investitionen in den Euro-Rettungsschirm EFSF geben, auf die viele Strategen in Brüssel noch im vorigen Jahr gehofft hatten. Europa müsse mehr Klarheit schaffen, gab er Merkel mit auf den Weg. Die Europäer müssten selber verstärkte Anstrengungen unternehmen und nötige Reformen ihrer Haushalts- und Finanzpolitik einleiten. „Die eigenen Bemühungen sind entscheidend in dieser Frage“, sagte Wen.
Und weil beide um Einigkeit bemüht waren, sagte auch die Kanzlerin: „Die Hauptaufgabe liegt in den europäischen Ländern.“
Merkel weiß um die Zwänge und Probleme Chinas. Es gibt in der chinesischen Bevölkerung wenig Verständnis dafür, dass das Reich der Mitte Milliardensummen in einen von Peking aus eher schwer durchschaubaren und womöglich risikobehafteten Finanzmarkt in Europa pumpt. „Und wer rettet mich?“, fragen viele Chinesen, wenn es heißt, China müsse als „weißer Ritter“ den Europäern zu Hilfe kommen.
Klar ist aber für die Kanzlerin, dass China mit seinem immer noch fast zweistelligen Wirtschaftswachstums ein wichtiger Partner in der Welt ist und dementsprechend zunehmend Verantwortung übernehmen soll.
Merkel traf auch Liu Jiwei, den Chef des Staatsfonds China Investment Corporation. Der Fonds ist für die Anlage eines Teils der mit 2,4 Billionen Euro weltgrößten Devisenreserven Chinas zuständig. Auf ihrer dreitägigen China-Reise wird Merkel von einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation begleitet: Mit dabei sind die Spitzen von Siemens, Volkswagen, der Commerzbank und dem Chemieriesen BASF.
Heikle Frage Menschenrechte
Trotz der gänzlich unterschiedlichen Haltung zu Menschenrechten demonstrieren Merkel und Wen Jiabao den Willen, dass die beiden ungleichen Länder sich mehr austauschen sollen. Über die Politik, die Wirtschaft, die Kultur. Das Verständnis solle wachsen. Wen sagt, wenn man sich respektiere, könne man über alles sprechen – auch wenn man nicht einer Meinung sei. Wie es im Umgang mit Bürgerrechtlern und Minderheiten der Fall ist, gegen die China seit Wochen wieder hart vorgeht. Merkel streift das Thema, wird aber nicht konkret.
Dafür erwähnt sie oft, dass 2012 das chinesische Jahr des Drachen sei. Er steht für Glück und Kraft und Macht. Merkel ist im Jahr des Pferdes geboren, was ihr in diesem Drachenjahr gutes Gelingen für neue Projekte und Ideen verspricht.
Chinas Außenpolitik
Die Haltung Chinas zu Syrien und zum Iran war ebenfalls Thema bei den Gesprächen.
Syrien: Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert eine gemeinsame Lösung im UN-Sicherheitsrat, um das Gewalt-Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu beenden. Eine Resolution scheiterte bislang auch am Widerstand Chinas.
Iran: Seit Jahren beißt sich Merkel die Zähne aus bei ihren Bemühungen um Sanktionen gegen den Iran wegen dessen umstrittenen Atomprogramms. Sie wirbt dafür, dass China Einfluss auf Teheran nimmt, damit Iran keine Atommacht werde. China will keinen neuen Nuklearwaffenstaat. Aber es will „normale Handelskontakte“ mit dem Iran pflegen. Man darf gespannt sein, ob China nach dem Öl-Embargo der EU und der USA gegen den Iran seine Öl-Importe verringert. FOTO: dpa