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BERLIN
Merkel will Energiewende retten
Streit um die Stromtrassen: Kanzlerin Angela Merkel will nichts an den großen Linien der großkoalitionären Energieplanung ändern.
Foto: Thinkstock | Streit um die Stromtrassen: Kanzlerin Angela Merkel will nichts an den großen Linien der großkoalitionären Energieplanung ändern.
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 09.02.2014 19:48 Uhr

Für Angela Merkels Verhältnisse ist es fast ein Machtwort. Immer wieder spricht sie von den „HGÜs“, die man brauche. Gemeint sind Turbotrassen mit Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung.

Es kann sie nicht freuen, dass die Debatte um neue Nord-Süd-Leitungen aus den Fugen geraten ist: Gerade in Bayern kämpfen die Bürger gegen angebliche Monstertrassen. Die Folge sind politische Verwerfungen.

Die Kanzlerin äußert nach der CDU-Klausur in Erfurt zwar Verständnis für die Einwände von CSU-Chef Horst Seehofer und kündigt eine Prüfung der Planungen an. Aber sie sagt zugleich klipp und klar, dass neue Trassen unverzichtbar sind: „Es wird Gleichspannungsleitungen geben.“

Merkel sagt, es gehe um eine stetige Anpassung der Netzplanungen an den Ausbau erneuerbarer Energien, aber an den großen Linien will sie nichts ändern. Ein von Bayern ins Spiel gebrachtes Moratorium, einen Stopp der Netzausbaupläne lehnt sie ab. Zuvor hatte sich Bayerns Ministerpräsident all jene Kritiker vorgeknöpft, die ihn zuletzt attackiert hatten. „Das Geschwätz, das dazu eingesetzt hat von EU-Kommissar Günther Oettinger und anderen Ortsunkundigen, wird an dieser bayerischen Forderung nichts ändern“, polterte Seehofer.

Im Kern des Konflikts geht es darum, ob die Stromtrassen nach Bayern wegen der Drosselung beim Ausbau der Windenergie tatsächlich nötig sind. Aber bis 2050 bleibt es beim Ziel von 80 Prozent Ökostrom. Windstrom aus dem Norden und Osten soll das AKW-Aus abfedern.

Seehofer will Überprüfung

Seehofer fordert nun sogar, die Eckpunkte der Energiewende mit Blick auf die Versorgungssicherheit und die Kosten für die Bürger noch einmal zu überprüfen. Doch 2013 hatten Bundestag und Bundesrat den Netzausbau so beschlossen und Zeit hat man eigentlich nicht mehr. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) bietet bereits Wetten darauf an, dass 2022 nicht das letzte deutsche Atomkraftwerk abgeschaltet wird.

Aber bei allem Theaterdonner: Seehofer legt den Finger in die Wunde, der Protest gegen bis zu 70 Meter hohe Masten dürfte massiv werden. Per Gesetz wurden Klagezeiten für die 36 wichtigsten Trassen daher bereits verkürzt, es kann nur noch beim Bundesverwaltungsgericht geklagt werden. Aber wie sollen die Bürger für neue „Stromautobahnen“ gewonnen werden, wenn führende Politiker Zweifel daran säen?

Den Netzbetreiber Tennet dürfte Merkels Klarstellung freuen. Wegen des Einspruchs aus Bayern hatte Geschäftsführer Lex Hartman Bürgerversammlungen zum Verlauf der Hauptschlagader der Energiewende, des 800 Kilometer langen „SuedLink“, erst einmal absagen lassen.

Der Streit lässt auch das Klima in der Großen Koalition rauer werden. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi wirft Seehofer vor, nur auf die bayerischen Kommunalwahlen Mitte März zu schielen, sie spricht von „politischer Raserei“. NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin will den „energiepolitischen Irrläufer“ Seehofer gleich ins Abklingbecken stecken. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kontert, die SPD stehe ihrerseits unter dem Einfluss von „Kohlelobbyisten wie Hannelore Kraft“. Bayern mache halt eine Energiewende mit den Bürgern.

Es geht munter hin und her, seit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Eckpunkte für eine Ökostrom-Reform vorgelegt hat und die Netzbetreiber erste Streckenpläne für die Turbotrassen mit bis zu 500 Kilovolt Spannung präsentiert haben. So will Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) nun die von Gabriel geplante Zwangsabgabe für Unternehmen kassieren, die sich Kraftwerke gekauft oder Solaranlagen auf das Dach geschraubt haben und zu Selbstversorgern geworden sind.

Zahlt wieder der Bürger?

Kauder verweist auf Bestandsschutz für getätigte Investitionen in Stromerzeugungsanlagen. Droht Gabriel ein Zerfasern seiner Reform? Fällt die geplante Strompreisdämpfung dadurch nur minimal aus? Auf bis zu 2,5 Milliarden Euro könnten 2014 die Fehlbeträge steigen, weil Selbstversorger sich nicht an Förderkosten für Wind- und Solarparks beteiligen. Dies zahlen die Bürger über den Strompreis. Gabriel will den Trend durch die Abgabe stoppen. Auch Energieversorger finden die Idee gut, denn mehr Eigenstrom bedeutet für sie weniger Umsatz.

 
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