Alles könnte so schön sein im Leben des Christian Wulff. Das Leben eines Bundespräsidenten ist eine Folge von Einladungen, Empfängen und Reisen. Nach dem Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps am Dienstag durfte er am Mittwoch Wohlfahrtsbriefmarken entgegennehmen. Und am heutigen Donnerstag empfängt er in Schloss Bellevue die Repräsentanten des öffentlichen Lebens.
Doch für Christian Wulff ist nichts schön in diesen Tagen. Für den ersten Mann im Staate geht das Spießrutenlaufen weiter. Jeder öffentliche Auftritt wird von Heerscharen an Kameraleuten und Fotografen verfolgt. In eigener Sache schweigt Wulff seit dem Fernsehinterview vor einer Woche eisern, obwohl die Fragen kein Ende nehmen wollen.
Selbst seine Parteifreunde gehen zunehmend auf Distanz. Peter Altmaier, einflussreicher Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion und enger Merkel-Vertrauter, kritisiert den Rückzieher von Wulffs Anwälten, die entgegen der Ankündigung des Präsidenten, alle 400 Fragen und Antworten ins Internet zu stellen, bislang lediglich eine sechsseitige Zusammenfassung veröffentlicht haben. „Wünsche mir, dass Christian seine Anwälte an die Leine legt und die Fragen/Antworten ins Netz stellt“, twittert Altmaier. Und in einem Interview bedauert er: „Ich hielte es für unglücklich, wenn der Eindruck entstünde, dass die Anwälte des Bundespräsidenten jetzt hinter dem zurückbleiben, was er selbst in einem Fernsehinterview angekündigt hat.“
Mit dieser Ansicht steht Altmeier in der Unionsfraktion nicht alleine da. Unter den Abgeordneten von CDU und CSU wächst der Unmut über das miserable Krisenmanagement des Präsidenten und die Defensivstrategie seines Anwalts Gernot Lehr, Sohn der früheren CDU-Ministerin Ursula Lehr. „Mit dieser Hinhaltetaktik schadet der Präsident nicht nur sich selber, sondern auf lange Sicht auch der gesamten Union“, stöhnt ein erfahrener Christdemokrat. „Jetzt muss alles auf den Tisch – und dann muss ein für alle Mal Schluss sein.“
Der Anwalt lehnt eine Veröffentlichung weiter ab. In einer am Mittwoch vorgelegten Stellungnahme heißt es, eine Veröffentlichung der Journalistenfragen würde das Recht der jeweils anfragenden Journalisten am eigenen Wort verletzen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet vom Präsidenten Offenheit. Sie gehe davon aus, dass er alle Fragen beantworten werde. „Sollte es neue Fragen geben, bin ich überzeugt, dass er sie genauso beantworten wird, und deshalb hat meine Wertschätzung Bestand.“
Und es gibt weitere Fragen. Am Mittwoch machen neue Ungereimtheiten zu Wulffs Flitterwochen im Jahr 2008, die er auf Einladung des Versicherungsmanagers Wolf-Dieter Baumgartl in dessen Villa in Italien verbrachte, die Runde. Anders als von Wulff im Fernsehinterview dargestellt, sei während ihres Aufenthalts in Castglioncello Baumgartl nur „teilweise“ vor Ort gewesen, berichtet der „Stern“ unter Berufung auf Wulffs Anwalt Lehr. Zudem hatte das Personal Dienstleistungen für das Ehepaar Wulff erbracht. Wulff hatte gesagt, er stehe zu diesen kostenlosen Urlauben bei Freunden und dazu, „mit den Freunden zusammen zu kochen, zu frühstücken, im Gästezimmer zu schlafen“. Zudem ist Baumgartl nicht „teilweise Pensionär“, wie Wulff sagte, sondern Aufsichtsratschef des Hannoveraner Versicherungskonzerns Talanx, bis 2006 war er Vorstandschef. Wulff hatte sich als niedersächsischer Ministerpräsident für Hannover als Sitz des Konzerns stark gemacht.
Aus Protest gegen das Verhalten Wulffs hat die Vorsitzende der Antikorruptionsorganisation „Transparency International“, Edda Müller, ihre Teilnahme am heutigen Neujahresempfang abgesagt. „Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“