Wer im Zenit steht, hat das Höchste an Erfolg und Entfaltung in einem Gesamtablauf erreicht. Nach ihrer dritten Wahl zur Bundeskanzlerin 2013 hieß es, Angela Merkel stehe im Zenit ihrer Macht. Zur Mitte der Legislaturperiode, im August 2015, werde ihr Stern sinken. Doch heute steht Merkel immer noch im Zenit.
Die SPD fragt sich, wie lange dieser Zustand wohl noch andauert. Den Scheitelpunkt hat die 61-Jährige jedenfalls allem Anschein nach noch nicht überschritten. Sie gilt weiter als mächtigste Frau der Welt, die Union liegt in Umfragen ungebrochen über 40, der Koalitionspartner SPD bei bleiernen 25 Prozent. Viele Sozialdemokraten sind einigermaßen frustriert – und ratlos, wie sie aus der Umfragestarre herauskommen sollen. Schließlich ackerten sie in den vergangenen Monaten eifrig, arbeiteten den Koalitionsvertrag ab und setzten ein Projekt nach dem anderen durch – wie Mindestlohn, Mietpreispreisbremse, Rente mit 63 oder Frauenquote.
Doch immerhin: Die SPD sieht den Koalitionspartner Union in der zweiten Hälfte der Wahlperiode auf einige Probleme zusteuern. Die CSU sei mit ihren zwei wesentlichen Projekten, Pkw-Maut und Betreuungsgeld, gescheitert und nun in die Ecke gedrängt, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in Berlin. Auch beim Thema Flüchtlinge sei zu befürchten, dass die CSU ihre Stimmungsmache verstärke. Fahimi mahnte: „Es ist noch lange nicht Zeit, den Wahlkampf anzupfeifen.“
Trotzdem passiere das bereits in Teilen der Union. An diesem Montag kommt Merkel zurück aus dem Sommerurlaub, am Mittwoch leitet sie die erste Kabinettssitzung nach kurzer Auszeit. Das markiert den Start in die zweite Halbzeit der Koalition.
Fahimi ist sich sicher, dass die Kanzlerin in den nächsten Monaten zu tun haben wird, die eigenen Reihen zusammenzuhalten. Das habe sich schon in der Griechenlandkrise gezeigt. „Nicht die SPD ist das Problem, was den Zusammenhalt der Koalition angeht.“ Die Schwierigkeiten lägen bei der Union.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sieht das anders. „Bei allen Reibereien zwischendurch läuft es insgesamt eigentlich ganz gut“, sagte er. Und sieht auch für die zweite Halbzeit „mehr Licht als Schatten“. Zur Pkw-Maut sagte er, die Koalition habe das Vorhaben gemeinsam beschlossen. „Wir nehmen die Herausforderung aus Brüssel an.“ Die EU-Kommission hat wegen der Maut ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil die Abgabe nur ausländische Fahrer belasten soll. Scheuer erklärte, Vertragsverletzungsverfahren gebe es viele, „im Übrigen auch zum Mindestlohn“, einem zentralen Projekt der SPD also. Zum Betreuungsgeld, das das Bundesverfassungsgericht aus formalen Gründen gekippt hatte, sagte Scheuer, die CSU erwarte, dass der Bund das Geld dafür nun an die Länder auszahle.
Doch bei Schwarz-Rot knirschte es auch in der Kinderpornografie-Affäre um den SPD-Mann Sebastian Edathy, in deren Wirren Bundesminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zurücktreten musste. Oder in der Griechenlandkrise, als Gabriel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sich öffentlich vorwarfen, Informationsabläufe innerhalb der Regierung falsch darzustellen. Im vergangenen Mai sorgte Gabriel auch für Ärger, als er Details aus einer vertraulichen Unterredung mit Merkel zur Geheimdienst-Spähaffäre ausplauderte.
Bleibt die Frage, was von Merkels langer Kanzlerschaft einmal in Erinnerung bleiben wird. Mit ihr wird kein richtiges Herzensthema verbunden. Und da, wo sie für ihre Verhältnisse mit viel Herzblut Politik macht, wird ihr Herzlosigkeit vorgeworfen: Im Bemühen, den Euro zu stärken und die Euroländer zusammenzuhalten. Ob sie hier Erfolg hat, dürfte sich erst in einigen Jahren zeigen. Vielleicht erst dann, wenn sie wirklich nicht mehr Kanzlerin ist.