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PEKING
Merkel spricht Klartext mit Wen Jiabao
Deutsch-chinesische Regierungskonsultationen: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao (rechts) unterhalten sich in der Großen Halle des Volkes in Peking mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle (links) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler.
Foto: dpa | Deutsch-chinesische Regierungskonsultationen: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao (rechts) unterhalten sich in der Großen Halle des Volkes in Peking mit Bundesaußenminister Guido ...
Von den dpa-Korrespondenten JÖRG BLANK und ANDREAS LANDWEHR
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:47 Uhr

Fast hat die Kanzlerin Wen Jiabao ins Herz geschlossen. Selbst über kritische Themen konnte sie ziemlich offen mit Chinas Regierungschef reden. Ob das so bleibt, muss sich nach dem Generationswechsel in China zeigen.

„Im Doppelpack“, wie die Kanzlerin sagt, werden an zwei Tischen nebeneinander die milliardenschweren Wirtschaftsverträge und 13 Regierungsabkommen unterschrieben. „Erstmals wird parallel unterzeichnet“, freut sie sich nach ihrem einstündigen Gespräch mit Regierungschef Wen Jiabao. Sieben deutsche Minister, zwei Staatssekretäre und deren 13 chinesische Amtskollegen drängeln sich in einer derart langen Reihe dahinter, dass selbst der riesige Hebei-Saal der Großen Halle des Volkes in Peking zu klein ist.

  • Hintergrund: Chinas starke Männer

Der Verkauf von 50 Airbus-Flugzeugen an China hing am Morgen noch am seidenen Faden. Es wurde hart verhandelt. Aber Wen Jiabao persönlich legte sich ins Zeug, um sein letztes Treffen mit der Kanzlerin mit satten Milliardenabschlüssen krönen zu können. Er ist stolz, diese umfangreichen Kabinettsgespräche mit Deutschland zum regelmäßigen Mechanismus gemacht zu haben. Mit keinem anderen Land der Erde macht China so etwas. Zu Deutschland gebe es eben ein „besonderes Verhältnis“, heißt es immer wieder.

Die guten Beziehungen zu Deutschland und Europa sind so etwas wie sein persönliches Erbe. Mit dem Generationswechsel in der Führung, der im Herbst eingeleitet wird, tritt der 69-Jährige ab. So ist es ein Abschied unter Freunden - allerdings unter ganz speziellen und nicht ganz einfachen Freunden. Die Freundschaft sei aber so gut, dass sie auch Differenzen und kritische Worte aushalte, betont Merkel.

Das wird klar, als Merkel Seite an Seite mit Wen Jiabao öffentlich bessere Arbeitsbedingungen für deutsche und andere ausländische Journalisten anmahnt – wie zuvor schon hinter verschlossenen Türen. „Ich hoffe, dass dieses Gespräch auch eine Wirkung zeigt“, sagt die Kanzlerin, während der Chinese etwas gekünstelt lächelt, aber lieber nichts zu dem heiklen Thema sagen möchte.

Für Ärger zwischen Deutschland und China sorgt auch die Anti-Dumping-Klage europäischer und deutscher Firmen bei der EU-Kommission gegen chinesische Solarunternehmen. Merkel befürchtet bei einer Eskalation vor Gericht Nachteile für Deutschland – und setzt lieber auf Verhandlungen als auf ein Verfahren vor Gericht. Das dürfte Wen Jiabao für sich als Pluspunkt verbuchen.

Es geht in China eben höflich zu – diesmal sogar herzlich. Auch die Kanzlerin hatte sich reingehängt. Es ist die sechste Chinareise seit ihrem Amtsantritt, die zweite in diesem Jahr. Und nun kommt die Kanzlerin gleich mit ihrem halben Kabinett – noch nie war eine so große deutsche Delegation in Peking. Auch das galt als besondere Geste gegenüber dem scheidenden Premier, mit dem die Kanzlerin über die Jahre ein ziemlich enges Verhältnis aufgebaut hat.

Viel gelernt hat Merkel bei den zahlreichen Treffen mit Wen & Co. – etwa über die ergebnisorientierte Verhandlungsführung der Asiaten. Das ist anders als zu Hause in der schwarz-gelben Koalition, wo vieles nur quälend voran geht. Die Chinesen, weiß Merkel, halten für eine der größten Schwächen der Demokratie, dass soviel geredet wird. Dabei gibt es in der Kommunistischen Partei Chinas nicht weniger Tauziehen – es ist nur nicht so öffentlich.

Mit den jüngsten Skandalen in der Führung sehen Beobachter sogar einen Machtkampf vor dem Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas, auf dem der lange vorbereitete Generationswechsel im Reich des Drachen eingeleitet wird. Erst wechselt die Spitze der Partei, im Frühjahr folgt die Verjüngung der Regierung. Wen Jiabao tritt nach zehn Jahren ab – genau wie Partei- und Staatschef Hu Jintao (69), den die Kanzlerin am Nachmittag ein letztes Mal im Amt traf. Danach machte Merkel den künftigen „starken Männern“ Xi Jinping und Li Keqiang ihre Aufwartung – zuversichtlich, dass die gute Zusammenarbeit auch in Zukunft fortgesetzt wird.

Chinas starke Männer

China steht vor einem Generationswechsel an der Spitze der Kommunistischen Partei. Nach zehn Jahren werden Staats- und Parteichef Hu Jintao (69) sowie Regierungschef Wen Jiabao (69) im Herbst das Feld räumen. Neuer Parteivorsitzender und Präsident soll der 59-jährige Xi Jinping werden. Als neuer Regierungschef ist Li Keqiang (57) vorgesehen. Die neuen und die alten Führer: Xi Jinping: Der Sohn eines Revolutionärs und früheren Vizepremiers scheint für alle Fraktionen akzeptabel. Der heutige Vizepräsident war vor fünf Jahren als „Thronfolger“ aus dem Tauziehen um die neue Führung hervorgegangen. Sein Vater Xi Zhongxun hatte zu Beginn der Reform- und Öffnungspolitik Chinas mit dem Kapitalismus experimentiert. Li Keqiang: Der Vizepremier studierte Recht und Wirtschaft. Er wurde 1998 Gouverneur der Provinz Henan. Nach 2004 kümmerte sich Li Keqiang um die Umstrukturierung alter Industrieregionen. Hu Jintao: Im Jahr 2003 übernahm Hu Jintao die Staats- und Parteiführung. Er war kein Reformer, sondern eher ein Sachverwalter. Korruptionsaffären erschütterten seine Amtszeit. Lange stand er im Schatten seines Vorgängers Jiang Zemin, der bis heute die Fäden zieht. Wen Jiabao: Wie die Physikerin Angela Merkel ist der Premier von Haus aus Wissenschaftler. Der Geologe rückte sozialen Fortschritt in den Mittelpunkt der Politik. Wen Jiabao warnte vor blindem Wachstum. Seine Rufe nach politischen Reformen weckten Hoffnungen. Doch suchte er nicht demokratische Veränderungen, sondern nur eine Verbesserung der Entscheidungsprozesse in der Partei. Text: dpa

 
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