Die Bundesregierung will die Belastungen durch die immer weiter steigende Zahl von Flüchtlingen nicht durch höhere Steuern finanzieren. Es werde weder einen „Soli“ geben, um die Flüchtlingskrise finanziell zu meistern, noch Steuererhöhungen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der „Bild“-Zeitung. Sie fügte hinzu: „Wir können uns freuen, dass wir seit Jahren gut gewirtschaftet haben und unsere Wirtschaftslage zurzeit gut ist.“ Allerdings wird es immer wahrscheinlicher, dass die EU-Kommission von ihren Mitgliedsstaaten zusätzliche Mittel zur Bewältigung der Krise verlangen wird.
Anders als die Union geht die SPD-Spitze inzwischen davon aus, dass in diesem Jahr mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kommt. Der neue Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier (CDU) lehnt eine Obergrenze dennoch weiterhin ab. „Wo sollte die sein?“, fragte er bei einer Veranstaltung des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) und fügte hinzu: „Bei 100 000 oder bei einer Million?“
Die Kanzlerin werde sich in der EU entschieden dafür einsetzen, dass die Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen Mitgliedsstaaten gerechter geregelt wird, sagte der Kanzleramtschef. Er kündigte zudem an, dass die Koalition in den nächsten Tagen darüber entscheiden werde, wie und wo Transitzonen an den Grenzen eingerichtet werden können, um Asylsuchende, die keine Chance auf Anerkennung haben, schneller wieder abzuweisen.
Eine solche Sonderregelung gibt es schon im Flughafenverfahren. Wer auf dem Luftweg einreist und keine oder gefälschte Ausweispapiere bei sich hat oder aus einem „sicheren Herkunftsland“ kommt, kann am Flughafen festgehalten werden, während sein Asylgesuch innerhalb weniger Tage bearbeitet wird. Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) sagte, dass er an den Grenzen ein ähnliches Prozedere wolle.
Merkel sagte, um Fehlanreize für Flüchtlinge abzubauen, „wollen wir dazu zurückkehren, in den Erstaufnahmeeinrichtungen wieder überwiegend Sachleistungen zu verteilen und nicht Bargeld auszuzahlen“. Das neue Gesetz, das für abgelehnte Asylbewerber nur noch das unabdingbar Notwendige vorsieht, sei „sinnvoll und vertretbar, auch wenn es dagegen wahrscheinlich wieder eine Verfassungsklage geben wird“.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) räumte am Rande einer Finanzkonferenz in Lima ein, dass zusätzliche europäische Mittel erforderlich seien, um EU-Staaten mit Außengrenzen bei der Grenzsicherung zu unterstützen und in den Herkunftsländern der Flüchtlinge die Lebensbedingungen zu verbessern. Er reagierte damit auch auf einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“, wonach die Bundesregierung mit der EU-Kommission eine Art europäischen Flüchtlings-Soli erwäge.
Dabei geht es wohl darum, dass die EU-Staaten mehr in die Gemeinschaftskasse einzahlen. Auf welche Art soll ihnen überlassen bleiben. Es geht nicht darum, einen „Soli“ direkt beim EU-Bürger zu erheben.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hielt von SPD, Grünen und Linkspartei regierten Ländern eine lasche Haltung bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber vor. In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sagte Herrmann, Bayern liege mit mehr als 2800 in diesem Jahr bereits abgeschobenen Flüchtlingen bundesweit an der Spitze. Das rot-rot-grün regierte Thüringen hat laut Zeitung erst 161 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben.
Unterdessen ging der Streit in der Union über den Kurs in der Flüchtlingskrise weiter. CSU-Chef Horst Seehofer hielt Merkel eine „Kapitulation des Rechtsstaats vor der Realität“ vor. Er zielte damit auf Äußerungen der Kanzlerin, dass sich die EU-Außengrenzen nicht effektiv schützen ließen.
Gewaltexzesse vor Flüchtlingsunterkünften
In Sachsen reißen die Gewaltexzesse vor Flüchtlingsheimen nicht ab. Auch in der Nacht zum Samstag kam es in Chemnitz und Dresden zu Zwischenfällen. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verurteilte die neuerlichen Ausschreitungen „aufs Schärfste“.
„Gewalt gegen Flüchtlinge, Polizei, Hilfskräfte und Kirchengemeinden sind nicht nur schwere Straftaten, die wir mit aller Konsequenz verfolgen werden, sondern sind feige und niederträchtig“, sagte Ulbig der Deutschen Presse-Agentur. Am Freitagabend hatten etwa 20 Rechtsextreme an einer neuen Unterkunft für Asylsuchende in Chemnitz fünf Sympathisanten der Flüchtlinge angegriffen und zwei von ihnen leicht verletzt. Der Polizei zufolge wurde später auch das Gebäude einer Kirchengemeinde attackiert, die Flüchtlinge aufgenommen hatte. Die Täter warfen mehrere Scheiben ein, eine Frau im Inneren des Hauses erlitt dabei Verletzungen. Die Polizei nahm einen 34 Jahre alten Mann in Gewahrsam.
In Dresden eskalierte am Freitagabend die Situation in den Stadtteilen Prohlis und Südvorstadt. Rechte und Anwohner in Prohlis laufen seit Tagen Sturm dagegen, dass Flüchtlinge demnächst in einer Schule unterkommen sollen. Dort störten zunächst etwa 30 bis 40 Personen ein Willkommensfest, das Helfer für Flüchtlinge organisiert hatten. Am Abend wurden Beamte und Einsatzfahrzeuge mit Flaschen beworfen. Die Polizei nahm vier Tatverdächtige vorläufig fest. Die Polizei war mit Wasserwerfern präsent, setzte sie aber nicht ein. Text: dpa