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Berlin
Meinungsfreiheit auch beim Meckern?
Grüne sehen Grundrecht im Internet gefährdet und wollen beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz nachbessern.
Julia Weller
 |  aktualisiert: 02.04.2019 14:21 Uhr

 Seit mehr als einem Jahr ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft, kurz NetzDG. Es soll Hassrede und illegale Inhalte im Internet eindämmen. Die Grünen sehen jedoch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gefährdet. Sie haben daher einen Antrag auf Nachbesserungen eingebracht, den der Bundestag am späten Donnerstagabend in erster Lesung beraten und an die zuständigen Fachausschüsse überwiesen hat. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.

Was regelt das NetzDG?

Betreiber von sozialen Netzwerken mit mehr als zwei Millionen Nutzern in Deutschland müssen Inhalte, die ihnen gemeldet werden, innerhalb von sieben Tagen entfernen oder sperren, wenn sie gegen bestimmte Gesetze verstoßen. Zu diesen strafbaren Tatbeständen gehören zum Beispiel Beleidigung und Verleumdung, aber auch das Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen oder die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Entfernen Facebook, Twitter und Co. solche Inhalte nicht, drohen ihnen Bußgelder bis zu fünf Millionen Euro.

Welche Auswirkungen hatte das Gesetz bislang?

Im ersten Halbjahr 2018 sind bei Facebook 886 NetzDG-Beschwerden eingegangen. Bei Twitter und YouTube gab es jeweils mehr als 200.000 Meldungen – wobei hier aber auch Beschwerden gegen Beiträge mitgezählt werden, die vermeintlich gegen die Nutzungsrichtlinien der Plattformen und nicht notwendigerweise gegen Strafgesetze verstoßen. Gelöscht oder gesperrt wurden auf Facebook 362 Inhalte, auf Twitter führten 28645 Beschwerden zu einer solchen Maßnahme. Einen Großteil der gelöschten Inhalte machten Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdungen aus.

Die niedrigen Fallzahlen insbesondere bei Facebook rühren laut Kritikern auch daher, dass das Meldesystem schwer zu finden und für Laien unverständlich sei. So müssen Nutzer etwa angeben, gegen welchen Paragrafen des Strafgesetzbuches ein Beitrag verstößt und warum.

Welche Kritikpunkte gibt es am Gesetz?

Inhalte, die „offensichtlich“ rechtswidrig sind, müssen laut NetzDG innerhalb von 24 Stunden entfernt werden. Kritiker fürchten das sogenannte Overblocking: Dass die Netzwerkbetreiber aus Angst vor hohen Geldstrafen vorsorglich Beiträge löschen, ohne die Rechtmäßigkeit genau zu prüfen. „Das NetzDG hat sich in der Praxis bewährt, die prophezeite Zensur und Overblocking sind ausgeblieben“, sagt hingegen Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Sprecherin des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz. „Die ersten Transparenzberichte haben gezeigt, dass sich die Löschungszahlen im überschaubaren Bereich bewegen.“

Schon vor der Verabschiedung des NetzDGs gab es aber Debatten, ob eine rechtliche Prüfung von Beiträgen überhaupt den Unternehmen überlassen werden dürfe oder nicht vielmehr Sache von Gerichten sei. Der Bundesrat hatte im Gesetzgebungsverfahren bereits eine Clearingstelle für Streitfälle vorgeschlagen, die es dann aber doch nicht ins Gesetz geschafft hat.

In ihrem Änderungsantrag kritisiert die Grünen-Fraktion, dass die Meldeverfahren zu kompliziert seien. Außerdem findet sie die Regelungen zu vage, nach denen Plattformbetreiber halbjährliche Transparenzberichte vorlegen müssen. Wegen mangelnder inhaltlicher Vorgaben seien diese Berichte kaum vergleichbar.

Was wollen die Grünen ändern?

Im Antrag der Fraktion heißt es, es fehle „ein die Meinungsfreiheit wahrendes Verfahren, mit dem zu Unrecht gelöschte oder gesperrte Inhalte zeitnah wieder eingestellt werden“. Auf Kosten der Netzwerkbetreiber soll eine Clearingstelle eingerichtet werden, ebenso wie „einheitliche, nutzerfreundliche und altersgerechte Standards zu Meldewegen“. Außerdem möchten die Grünen prüfen lassen, ob ein zusätzlicher Gerichtsstand geschaffen werden kann, der auf Streitigkeiten über Äußerungen im Internet spezialisiert ist.

 
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