Kann ich später einmal von meiner Rente leben? Sollte ich privat vorsorgen oder hoffen, dass sich schon alles irgendwie regelt? Und wovon hängt überhaupt ab, wer wie viel bekommt? Wenn es um das Thema Rente geht, sind viele Menschen verunsichert. Die Berechnung erfolgt mithilfe einer komplizierten Formel, und ständig geistern Konstrukte wie Zuschussrente, Riester-Rente und das besonders bedrohliche Wort Altersarmut durch die Medien. Der Finanzwissenschaftler an der Universität Würzburg, Professor Hans Fehr, erläutert im Gespräch mit dieser Zeitung, auf welche Situation wir uns einstellen müssen und warum trotz steigender Produktivität in Deutschland die Renten hierzulande oft sehr mager ausfallen.
Hans Fehr: Es kommt darauf an, was man darunter versteht. Die weitaus wichtigere Frage ist: Wie viel Rente bekommen wir später einmal? Denn Rente werden wir auch in Zukunft noch erhalten, aber nicht mehr mit der gleichen Absicherung. Das Rentenniveau gemessen als Verhältnis von Rentenleistung zu Lohnhöhe wird sinken. Von aktuell über 50 Prozent auf 43 Prozent im Jahr 2030. Diese Absenkung hängt zusammen mit der Entwicklung der Bevölkerungsstruktur. Es gibt immer weniger junge Menschen, die immer mehr Rentner finanzieren müssen. In Zukunft wird es mehr Rentner geben, welche eine Rente auf Grundsicherungsniveau beziehen. Wir müssen uns deshalb auf mehr Altersarmut einstellen.
Die Produktivität steigt, das ist richtig. Wenn die Produktivität steigt, dann steigen auch die Löhne entsprechend. Die Frage ist, ob auch die Renten mit der Produktivität steigen. Früher (also ohne demografischen Faktor) stiegen die Renten immer im selben Ausmaß wie die Löhne aufgrund der Rentenformel. Der demografische Faktor dämpft nun jedoch den Anstieg der Renten, je nachdem wie sich das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen verändert. Wenn die Renten weniger stark ansteigen als die Löhne, dann sinkt das Rentenniveau. Will man nicht, dass das Rentenniveau sinkt, müssen zwangsläufig die Beitragssätze steigen. Und wenn die Beitragssätze immer weiter steigen, hält das das System irgendwann nicht mehr aus.
Fehr: Auf jeden Fall sollte man sich nicht alleine auf die gesetzliche Rente verlassen. Es gibt Menschen, die haben während ihrer Erwerbstätigkeit Phasen mit Arbeitslosigkeit oder Teilzeitarbeit. Sie werden momentan im Alter noch aufgefangen, weil das Rentenniveau relativ hoch ist. Künftig sollte man jedoch mehr selbst vorgesorgt haben. Was man konkret tun sollte, kommt auf die jeweilige persönliche Situation an. Manche legen Geld in Immobilien an, das ist zudem inflationssicher. Wegen den staatlichen Zulagen ist die Riester-Rente zum Beispiel für junge Familien mit zwei bis drei Kindern günstig. Für andere jedoch weniger. Schlecht an der Riester-Rente ist, dass sie mit viel Bürokratie verbunden ist. Die Beratungsbranche gewinnt da am meisten. Auch die Betriebsrente kann sinnvoll sein. Generell haben wir aber das Problem, dass die Leute im Bezug auf die private Vorsorge sehr verunsichert sind.
Fehr: Ein staatliches Angebot wäre besser. Schweden ist hier ein gutes Beispiel. Die Menschen können entscheiden, ob sie staatliche Fonds nehmen oder sich auf dem Privatmarkt etwas suchen. Die Holländer haben auch ein interessantes Rentensystem. Sie haben eine Mischung aus der umlagefinanzierten Grundsicherung und kapitalgedeckter Rente, die verpflichtend für alle Arbeitnehmer ist. In Deutschland sind wir noch nicht so weit. Wir haben bisher keine Erfahrung mit solchen Mischsystemen. Früher gab es bei uns nur das umlagefinanzierte System. Erst seit 2002 gibt es die staatlich geförderte kapitalgedeckte Zusatzversorgung (Beispiel Riester).
Fehr: Wir werden mittelfristig die Teilhabeäquivalenz aufweichen müssen, das heißt, es muss mehr Umverteilung zwischen Arm und Reich im Rentensystem geben. Also jemand mit hohem Einkommen erhält ein geringeres Rentenniveau, als jemand mit niedrigem Einkommen. So wird verhindert, dass künftig immer mehr Rentner lediglich eine Grundsicherungsrente erhalten. Die Zuschussrente nach Ursula von der Leyen ist meiner Meinung nach nur bedingt geeignet, da sie nur einen bestimmten Teil von Leuten trifft.
Hans Fehr
Der Finanzexperte Hans Fehr wurde 1962 in Tirschenreuth geboren und studierte von 1983 bis 1989 in Regensburg Volkswirtschaftslehre. Nach dem Diplom beschäftigte er sich im Rahmen seiner Doktorarbeit, die er 1992 an der Universität Regensburg abschloss, mit der Reform der Umsatzbesteuerung in der Europäischen Union. Es folgte 1994 ein einjähriger Forschungsaufenthalt an der Boston University. Nach der Rückkehr aus den USA wechselte er als wissenschaftlicher Assistent an die Universität Tübingen. Dort habilitierte er sich 1998 für das Fach Volkswirtschaftslehre. Gleich im Anschluss übernahm er die Vertretung des Würzburger Lehrstuhls für Finanzwissenschaft. Das Forschungsinteresse von Professor Hans Fehr gilt vor allem den Effizienz- und Verteilungswirkungen von Steuer- und Sozialversicherungsreformen, welche mit Hilfe von numerischen Gleichgewichtsmodellen quantifiziert werden. Seine bisherigen Forschungsprojekte wurden unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Fritz-Thyssen-Stiftung und der Europäischen Union finanziert. Im aktuellen Wintersemester gibt Professor Fehr an der Universität Würzburg Vorlesungen zur Mikroökonomik, Staatsverschuldung, Theorie der Sozialversicherung und zur Optimalsteuertheorie.