Die Politik hat auf Kritik am Preisgebaren der Mineralölkonzerne reagiert. Der Bundestag hat die Einrichtung einer Markttransparenzstelle für den Großhandel mit Strom und Gas sowie für den deutschen Benzinmarkt beschlossen. Deren Befürworter erhoffen sich einen besseren Wettbewerb durch mehr Transparenz und damit eine preisdämpfende Wirkung.
Die 14 700 Tankstellen in Deutschland melden ihre Preise für Benzin und Diesel an die Markttransparenzstelle des Bundeskartellamtes. Sie werden in einer Datenbank erfasst und vermutlich privaten Anbietern zur Verfügung gestellt, also zum Beispiel dem ADAC, den Herstellern von Navigationsgeräten und Internet-Seiten wie Clever-Tanken.de oder Benzinpreis.de. Der Weg der Daten vom Kartellamt zum Endverbraucher ist noch nicht ganz klar. Auf jeden Fall sollen die Autofahrer über Smartphone oder Navi Zugriff auf aktuelle und amtliche Preisdaten der Tankstellen haben.
Das ist nicht seine Aufgabe und es hat dazu auch nicht die Befugnis. Das Amt ahndet Verstöße gegen das Kartellrecht. Eine Preiserhöhung ist nicht gesetzwidrig, wenn sie nicht auf Absprachen beruht. Auch hohe Preise können im Wettbewerb entstehen. Das Kartellamt hat allerdings eine bessere Datenbasis und Marktnähe, um beim Verdacht auf wettbewerbswidriges Verhalten der Ölkonzerne Verfahren gegen sie einzuleiten.
Der Autofahrer kann sich schnell und zuverlässig über die günstigste Tankstelle in seiner Umgebung informieren oder bei einer längeren Fahrt abfragen, wo entlang seiner Route der Sprit am billigsten ist. Diese Transparenz soll den Wettbewerb unter den Tankstellen verbessern. Das Bundeskartellamt war 2011 nach einer jahrelangen Untersuchung des Tankstellenmarktes zu dem Ergebnis gekommen, dass die fünf führenden Mineralölkonzerne ein marktbeherrschendes Oligopol bilden und über große Marktmacht verfügen. Es fand aber keine Hinweise auf illegale Preisabsprachen.
Das ist unklar. Zu dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz fehlt noch eine Rechtsverordnung, die Details regelt. So werden zum Beispiel kleine Tankstellen von der Pflicht ausgenommen, ihre Daten unverzüglich zu melden. Für das Kartellamt ist eine Preismeldestelle Neuland. Die Technik muss entwickelt und eingerichtet werden. Wie es im Moment aussieht, können die Autofahrer eventuell im nächsten Sommer auf die Daten zugreifen. Es kann aber auch später werden.
Vermutlich nicht. Die App könnte als Preisbremse wirken, wenn an den Tankstellen durch schwachen Wettbewerb hohe Handelsmargen erzielt würden. Dafür fehlen Belege. Die Mineralölwirtschaft beziffert ihren Gewinn aus dem Benzinverkauf an der Tankstelle auf einen Cent je Liter. Auch kleine und unabhängige Tankstellen klagen über niedrige Margen. Tankstellen machen mehr Gewinn mit ihrem Shopgeschäft und Dienstleistungen wie Autowäsche als mit dem Spritverkauf. Die Benzinpreise werden maßgeblich bestimmt durch Steuern und Abgaben sowie die Einkaufskosten für den Sprit. Die richten sich nach den Großhandelspreisen für Ölprodukte. Die wichtigsten Einflussfaktoren darauf sind der Rohölpreis und der Euro-/Dollarkurs.
Die Branche betrachtet sie als einen Ausdruck von scharfem Wettbewerb. Der Markt sei durch die Preistafeln an den Straßen und die Internet-Informationen der großen Anbieter schon heute transparenter als viele andere Märkte. Wie sich die Einführung der App auswirken wird, ist offen. Vielleicht kommt es zu einer Nivellierung der Preise auf einem etwas höheren, aber stabileren Niveau, weil auch die Anbieter über volle Transparenz verfügen. Vielleicht werden die Schwankungen auch noch hektischer.
Für ihn ist der Kraftstoff-Markt schon „so transparent wie kein zweiter“. Dennoch begrüßte Hauptgeschäftsführer Klaus Picard die neue Meldestelle. „Jetzt schafft der Gesetzgeber erstmals die Grundlage für eine umfassende Spritpreis-Übersicht.“
Jürgen Grieving vom ADAC hält das geplante Online-Portal für sinnvoll. „Das ist sehr gut für den Verbraucher, weil bisher keine Möglichkeit bestand, zu vergleichen, wo ich am günstigsten tanken kann“, sagte er dieser Zeitung. Schon jetzt gibt es Spritspar-Apps, die helfen, Preisunterschiede in der Umgebung zu entdecken. Grieving hofft, dass die neue Meldestelle zuverlässiger als die bestehenden Angebote sein wird. Text: dpa/ps
So setzt sich der Benzinpreis zusammen
Die Aufschlüsselung geht von einem Durchschnittspreis von 1,62 bis 1,63 Euro pro Liter aus.
Einstandspreis: Das ist der Preis an der Ölbörse Rotterdam. In diesem Rechenbeispiel liegt er bei rund 59,8 Cent/Liter.
Deckungsbeitrag: Er enthält die Kosten der Konzerne für den Transport, die Lagerhaltung, die gesetzlich vorgeschriebene 90-tägige Treibstoffreserve, Verwaltung, Vertrieb und die Biobeimischung. Die Konzerne beziffern die Deckungskosten auf 11,37 Cent je Liter. In der Summe ist auch der Gewinn enthalten.
Energiesteuer: Früher hieß sie Mineralölsteuer. Seit 1999 ist hier auch die Ökosteuer enthalten. Für Benzin beträgt sie 65,45 Cent pro Liter. Der Staat profitiert bei den Einnahmen von rund 40 Milliarden Euro im Jahr nicht von einem höheren Spritpreis, denn die Steuer bemisst sich am verkauften Liter, nicht am Preis, und sie bleibt immer gleich.
Mehrwertsteuer: Anders ist es bei der Mehrwertsteuer von 19 Prozent, die auf den Warenendpreis erhoben wird. Je teurer der Sprit ist, desto höher die Steuer. Der Mehrwertsteueranteil liegt in der Beispielrechnung bei 25,95 Cent/Liter. Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Steueranteil am Benzinpreis beträgt knapp 60 Prozent. Etwas mehr als 40 Prozent fließen der Mineralölwirtschaft zu, zur Kostendeckung und als Gewinn. Text: RTR