zurück
BERLIN
Mehr Geld für Terroropfer gefordert
Von unserem Korrespondenten Martin Ferber
 |  aktualisiert: 21.12.2017 03:17 Uhr

Der Lkw ist der Grund, warum die Opfer und Hinterbliebenen des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz eine etwas höhere Entschädigungssumme bekommen. Weil der Attentäter Anis Amri einen Sattelschlepper als Mordwaffe nutzte, erhielten die Betroffenen nicht nur eine Entschädigung aus dem Härtefonds des Bundes und nach dem Opferentschädigungsgesetz, sondern auch von der Verkehrsopferhilfe, einer freiwilligen Leistung der Autoversicherer. Hätte Amri am 19. Dezember 2016 eine Bombe gezündet oder mit einer Waffe um sich geschossen, wäre diese Quelle versperrt gewesen.

Als Konsequenz forderte der von der Bundesregierung im Frühjahr berufene Opferbeauftragte, der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), eine deutliche Erhöhung der Entschädigungssummen für die Opfer von Terroranschlägen. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten sowie zu Israel und den USA befände sich Deutschland „im unteren Mittelfeld“, sagte Beck am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung seines Abschlussberichts, den er zuvor bei einer Sitzung des Bundeskabinetts erläutert hatte.

Zum einen sollten die Entschädigungen für die Hinterbliebenen und die bei einem Attentat Verletzten deutlich erhöht werden, zum anderen dürfe es keine Rolle spielen, mit welcher Waffe der Anschlag begangen wurde. 10 000 Euro für den Verlust eines Ehepartners oder 5000 Euro für den Tod eines nahen Verwandten seien zu wenig. Es müsse verhindert werden, dass die Opfer, ohnehin durch den Anschlag schwer traumatisiert, auch noch in eine materielle Not gerieten. Zudem sollten Deutsche, EU-Bürger und Nicht-EU-Ausländer gleichbehandelt werden.

Bei dem Anschlag am Abend des 19. Dezember 2016 waren zwölf Menschen getötet und „annähernd 100“ verletzt worden, einige von ihnen so schwer, dass sie bis an ihr Lebensende Pflegefälle bleiben werden. „Viele kämpfen heute noch mit den psychischen Belastungen und sind aufgrund der traumatisierenden Ereignisse immer noch arbeitsunfähig“, so Beck. Der Attentäter, der 22-jährige Tunesier Anis Amri, konnte fliehen. Er wurde vier Tage später in der Nähe von Mailand von einem Polizisten erschossen.

Ausdrücklich kritisierte Beck, dass die Identifizierung der Toten zu lange gedauert habe und die Berliner Charité nach der Obduktion den Hinterbliebenen Rechnungen für die Untersuchung der Toten einschließlich Mahnbescheiden und Inkassohinweisen geschickt habe. Dass die Angehörigen bis zu drei Tage warten mussten, ehe die Toten offiziell identifiziert waren, obwohl die Gesichter nicht entstellt waren und teilweise sogar die Ausweispapiere vorlagen, sei eine „furchtbare Erfahrung“ gewesen. Beck plädierte für eine „vorläufige Identifizierung“, um den Angehörigen so schnell wie möglich Orientierung zu geben.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) begrüßte die Vorschläge Becks und sicherte im Namen des Kabinetts zu, die zentralen Forderungen aufzugreifen und rasch umzusetzen. Es müssten zentrale Strukturen auf Bundesebene geschaffen werden, um die Anliegen der Betroffenen zu bündeln und die Hilfen für sie zu organisieren. „Die Bundesregierung darf die Verletzten und Hinterbliebenen eines Anschlags nicht alleinlassen.“ Zudem bestehe Einigkeit, die Entschädigungsleistungen für Anschlagsopfer zu erhöhen. Bislang wurden nach seinen Angaben rund zwei Millionen Euro ausbezahlt.

Ausdrücklich dankte Kurt Beck den vielen Menschen, die spontan Hilfe angeboten hätten. Dagegen kritisierten die Opfer in einem offenen Brief Bundeskanzlerin Angela Merkel und warfen ihr vor, bislang nicht das Gespräch mit ihnen gesucht zu haben. Am 18. Dezember will sich die Regierungschefin mit den Angehörigen und den beim Anschlag Verletzten im Kanzleramt treffen.

-> Leitartikel Seite 2
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Anis Amri
Bundeskabinett
Bundeskanzleramt
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Heiko Maas
Hinterbliebene
Kurt Beck
SPD
Terroropfer
Tote
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen