Die Frauenquote kommt – und der Mann, der sie mit durchgeboxt hat, nimmt jede Wette an, dass sie auch funktioniert. In den Aufsichtsgremien der großen Börsenkonzerne, so verspricht Justizminister Heiko Maas (SPD), werde nicht ein Stuhl frei bleiben, weil es keine geeignete Kandidatin gebe. Wer so etwas behaupte, sagt er, sei „geistig im vergangenen Jahrhundert hängen geblieben“. Eine so gut ausgebildete Generation von Frauen wie im Moment habe es noch nie gegeben. „Das muss sich endlich auch in den Chefetagen widerspiegeln.“
Knapp ein Jahr nach ihrem Amtsantritt hat die Große Koalition eines ihrer umstrittensten Probleme gelöst. Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden verständigten sich auf eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten von 108 börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Konzernen. Weitere 3500 mittelständische Unternehmen sollen sich mit Hilfe der sogenannten Flexiquote selbst verbindliche Ziele setzen, wie sie den Frauenanteil in ihren Führungsetagen erhöhen.
Beides zusammen, hofft Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), wird vom Jahr 2016 an in der Arbeitswelt einen ähnlichen Kulturwandel einleiten wie ihn auch die Sozialdemokraten selbst mit ihrer 1988 eingeführten Frauenquote für Parteiämter und Mandate erzwungen haben. Das neue Gesetz, beteuert die 40-Jährige, sei keine Symbolpolitik, sondern „ein ganz wichtiger Schritt zu mehr Gleichberechtigung“. Die Opposition dagegen hält die Quote lediglich für ein Quötchen: zu niedrig, zu spät, zu wenige Betriebe, in denen sie gelten wird.
Nachdem sie tags zuvor von Volker Kauder, dem Fraktionsvorsitzenden der Union, noch der Weinerlichkeit geziehen worden war, hat die Familienministerin sich mit ihren Plänen nun weitgehend durchgesetzt. Zwar haben die C-Parteien beim Koalitionsgipfel im Kanzleramt noch einige Korrekturen in ihr Gesetz hinein redigiert, darunter eine großzügigere Regelung bei den Berichtspflichten für die Unternehmen. An den wesentlichen Punkten ihres Entwurfes allerdings müssen die Minister Schwesig und Maas nichts mehr ändern. Kann einer der 108 Konzerne den Aufsichtsrat nicht ausreichend mit Frauen besetzen, bleibt der jeweilige Stuhl leer.
Auch Ausnahmen für eine Reihe von Branchen, wie die Union sie gefordert hatte, wird es nicht geben. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach am Ende trotzdem von einer Frauenquote „mit Augenmaß“. Der jetzt getroffene Kompromiss sei „im Sinne der Frauen und der Wirtschaft“.
Die Wirtschaft selbst lehnt die Quote allerdings nach wie vor ab und meldet überdies verfassungsrechtliche Bedenken an. Das entscheidende Kriterium, so der Arbeitgeberverband BDA, „muss die fachliche Qualifikation sein“. In diese Phalanx reiht sich auch der Pharmakonzern Merck ein, der mit sechs Frauen unter den 16 Aufsichtsräten die Quote bereits erfüllt. „Es entbehrt jeglicher wirtschaftlicher Vernunft“, hatte der Vorstandsvorsitzende Karl-Ludwig Kley bereits vor der Einigung gewarnt, „Frauen nur in Führungspositionen zu bringen, um eine Quote zu erfüllen“. Neben Merck haben unter anderem die Lufthansa, die Deutsche Post, die Telekom, Adidas, die Commerzbank und die Münchner Rück 30 Prozent ihrer Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt.
Wie groß ihr Nachholbedarf dennoch ist, zeigt eine Studie der Wirtschaftsauskunftei Bürgel. Danach werden mehr als 18 000 Kapitalgesellschaften in Deutschland von insgesamt fast 59 000 Aufsichtsräten kontrolliert – fünf von sechs Aufsehern aber sind heute Männer. Selbst Branchen mit einem hohen Frauenanteil wie die Gesundheitswirtschaft oder das Sozialwesen schaffen in ihren Aufsichtsgremien keinen Frauenanteil von 30 Prozent.
Auch im internationalen Vergleich sei die Zahl der Frauen in Führungspositionen viel zu niedrig, klagt die Vorsitzende der Frauenunion, Maria Böhmer. Anders als ihr Parteifreund Kauder ist sie mit der jetzt getroffenen Regelung rundum zufrieden: „Erst die Mütterrente, jetzt die Frauenquote – das Bohren dicker Bretter hat sich gelohnt.“
Beschlüsse
Auch das wurde im Koalitionsausschuss beschlossen: Flüchtlinge: Die SPD will durchsetzen, dass der Bund Städten und Gemeinden mit bis zu einer Milliarde Euro bei der Unterbringung, den Gesundheits- sowie Bildungskosten für vor Krieg und Gewalt geflüchtete Menschen hilft. Nach dem Treffen wurde betont, man wolle die Länder substanziell unterstützen. Eine konkrete Summe wurde nicht genannt. Bürokratieabbau: Die Koalition will die Wirtschaft stärker als bisher von Bürokratie entlasten. Dies gelte besonders für Start-ups und Unternehmensgründer, die in den ersten drei Jahren von Melde- und Informationspflichten befreit werden sollen. Klima: Das Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 soll eingehalten werden. Da es derzeit nur auf maximal 35 Prozent hinausläuft, soll ein Klimaschutz-Aktionsprogramm beschlossen werden. Es soll Einsparungen in allen Bereichen geben, von Landwirtschaft, Verkehr, im Bereich Energieeffizienz bis hin zu fossilen Kraftwerken. Text: dpa