Fußballer Sebastian Deisler hatte sie, Skispringer Sven Hannawald auch und bei Torhüter Robert Enke führten sie sogar zum Suizid: Depressionen. Prominente wie sie haben dazu beigetragen, dass diese Krankheit heute kein Stigma mehr hat – zumal immer mehr Menschen in Deutschland von ihr betroffen sind.
Das zeigt jetzt eine neue Studie der Techniker Krankenkasse (TK). Demnach spielen Depressionen inzwischen dieselbe Rolle wie Rückenschmerzen, wenn es um die Ursachen geht, warum dort Versicherte krankgeschrieben werden.
Die Kasse hat ihre Daten auf die Gesamtbevölkerung in der Bundesrepublik hochgerechnet. Dabei seien 2013 mehr als 31 Millionen Fehltage durch die Krankheit zusammen gekommen, fast 70 Prozent mehr als im Jahr 2000. Auch Antidepressiva seien in diesem Zeitraum um ein Drittel häufiger verordnet worden. „Von Arbeitsunfähigkeit sind mehr Menschen im Norden als im Süden betroffen, während Antidepressiva häufiger im Westen als im Osten verschrieben werden“, erläutert der Vorstandsvorsitzende Jens Baas. „Das Erschreckende ist: Die Zahl der von Depressionen Betroffenen nimmt weiter zu.“
Die Bayern und Baden-Württemberger sind im Vergleich allerdings bei guter seelischer Gesundheit, heißt es im Depressionsatlas der TK. Im oberfränkischen Kulmbach gab es im Schnitt nur 0,3 Fehltage pro Person durch die Krankheit, in Greiz im Vogtland sogar nur 0,2.
Die meisten Kranken werden in Merzig-Wadern im Saarland mit 1,7 gezählt, dicht gefolgt von Städten etwa im Ruhrgebiet. Gründe dafür ließen sich aber nicht herauslesen. Statistisch gesehen war 2013 jeder bei der Kasse versicherte Erwerbstätige knapp 15 Tage krankgeschrieben – 2,5 davon aus psychischen Gründen, ein Tag davon wiederum wegen Depressionen.
Doch was führt überhaupt zu einer psychischen Krankheit? „Neben einer gewissen Veranlagung ist es vor allem der Stress“, erklärt Baas. Und der trete gerade im Job auf. Hinzu kämen die verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, und auch die Familie mit dem Beruf in Einklang zu bringen falle vielen schwer.
Erst recht, wenn auch noch Angehörige zu versorgen sind. Aber auch unsichere Arbeitsverhältnisse oder ständiges Pendeln tragen ihren Teil bei. Junge Erwachsene könnten mit dem Stress jedoch besser umgehen als ältere. Am gefährdetsten seien Menschen, die Tätigkeiten mit einem hohen Stresslevel und einer großen psychischen Belastung ausüben, allen voran im Callcenter, der Altenpflege sowie in Erziehungs- und Sicherheitsberufen. Ärzte, Hochschullehrer oder Manager hätten hier die wenigsten Probleme. „Es kommt zu einem großen Teil darauf an, wie selbstbestimmt man arbeiten kann“, sagt Baas.
Insgesamt stellt er fest, dass von einer Depression generell zwar deutlich weniger Menschen betroffen seien als von Erkältungen oder Rückenschmerzen. Doch wer an ihr erkrankt, falle wesentlich länger aus, im Schnitt für 64 Tage. Das sei eine große Belastung nicht nur für die Betroffenen selbst und ihre Angehörigen, sondern auch für die Arbeitgeber. Was noch auffalle: „Frauen sind deutlich stärker betroffen als Männer.“ Allerdings, sagt Baas, gebe es durch die größere Akzeptanz für die Krankheit auch eine Nebenwirkung: Nicht alle, die als depressiv eingestuft werden, seien es auch. Und die verstopften häufig die Behandlungsplätze für die wirklich Kranken. So werde heute mancher als depressiv diagnostiziert, der einfach ausgebrannt sei, oder zwei Wochen nach einem Todesfall noch trauert. Das alles könne durchaus eine Vorstufe zur Depression sein, müsse aber nicht zu ihr führen.