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Mehr als eine Persönlichkeitswahl
Staatsoberhaupt: Die Wahl eines Bundespräsidenten ist ein Seismograf für Veränderungen. Sie war stets auch eine politische Richtungsentscheidung und spiegelte die Kräfteverhältnisse im Land wider.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 11.02.2017 03:38 Uhr

Knapp nur hatten CDU und CSU die erste Bundestagswahl im August 1949 vor der SPD gewonnen, viele Christdemokraten plädierten für eine Große Koalition mit der SPD. Doch Konrad Adenauer strebte eine „kleine“ Koalition mit der FDP an. Am 21. August 1949 stellte er in seiner Privatwohnung bei Bonn bei einem Treffen mit Parteifreunden die Weichen. Er selber wolle Bundeskanzler werden, die FDP als zweitstärkste Partei solle das Staatsoberhaupt stellen, kündigte er an: „Ich schlage deshalb Professor Heuss als Bundespräsident vor.“

Der Coup von Adenauer ging auf. Die Wahl von Theodor Heuss zum Bundespräsidenten, ein Glücksgriff für die gerade erst entstehende Republik, band die FDP fest an die Seite der Union, die sich damit für 20 Jahre die Macht sicherte. Als Heuss nach zehn Jahren aus dem Amt ausschied, war die in Bonn alleine regierende CDU so stark, dass sie mit Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke einen der Ihren zum Nachfolger wählen konnte. Fünf Jahre später, 1964, trug die oppositionelle SPD Lübkes Wiederwahl mit – und ebnete damit ihren Weg an die Macht. 1966 kam es zur Großen Koalition.

Kandidat der jeweiligen Mehrheit

Die Wahl eines Bundespräsidenten war in der Geschichte der Bundesrepublik schon immer mehr als eine bloße Persönlichkeitswahl, sie war jedes Mal aufs Neue auch eine Richtungswahl. Sie gab Aufschluss über das politische Kräfteverhältnis und reagierte einem Seismografen gleich auf Veränderungen im Machtgefüge. Und stets setzte die jeweilige Mehrheit ihren Kandidaten durch. Konsens war selten.

Nie wurde dies deutlicher als 1969. In Bonn regierte – noch – die Große Koalition unter Kurt Georg Kiesinger (CDU) und Willy Brandt (SPD), als Lübke aus Alters- und Gesundheitsgründen zum 30. Juni vorzeitig aus dem Amt ausschied. Bei der bislang engsten Wahl eines Präsidenten setzte sich im dritten Wahlgang der Sozialdemokrat Gustav Heinemann mit Unterstützung der FDP mit sechs Stimmen Vorsprung gegen Verteidigungsminister Gerhard Schröder von der CDU durch – Vorbote der sozialliberalen Koalition, die SPD und FDP nach den Bundestagswahlen im Herbst schmiedeten. Heinemann selber nannte seine Wahl mit Blick auf die neuen Mehrheitsverhältnisse „ein Stück Machtwechsel“.

1974 regierte die SPD-FDP-Koalition so souverän, dass Walter Scheel bereits im ersten Wahlgang zum Staatsoberhaupt gekürt wurde. Doch die Machtverhältnisse im Bund und den Ländern änderten sich. 1979 hatten CDU und CSU in der Bundesversammlung die Mehrheit zurückgewonnen und nutzten diese, um ihren Kandidaten Karl Carstens durchzusetzen, obwohl der beim Volk ungemein beliebte Walter Scheel gerne für eine zweite Amtszeit angetreten wäre. Drei Jahre später zerbrach die sozialliberale Koalition in Bonn, es folgte die 16-jährige Kanzlerschaft Helmut Kohls mit den CDU-Präsidenten Richard von Weizsäcker (1984 – 1994) und Roman Herzog (1994 bis 1999).

Wulff benötigte drei Wahlgänge

Den Aufstieg und das schnelle Ende der rot-grünen Koalition belegten die Präsidentenwahlen 1999 und 2004. Wenige Monate nachdem Gerhard Schröder Bundeskanzler geworden war, wählten SPD und Grüne 1999 den Sozialdemokraten Johannes Rau ins höchste Amt des Staates. Aber fünf Jahre später hatten CDU, CSU und FDP die Mehrheit in der Bundesversammlung zurückerobert. Gemeinsam setzten sie ihren Kandidaten Horst Köhler im ersten Wahlgang durch.

Das erhoffte Signal für eine christlich-liberale Koalition im Jahr darauf war dies nicht, es reichte nur zu einer Großen Koalition. Erst 2009 war es soweit: Nachdem Union und FDP Köhler im Amt bestätigt hatten, siegten sie auch bei den Bundestagswahlen. Dank dieser Mehrheit brachte die Koalition nach dem Rücktritt Köhlers am 31. Mai 2010 ihren Kandidaten, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU), ins höchste Staatsamt, auch wenn dieser gegen den von SPD und Grünen aufgestellten Joachim Gauck drei Wahlgänge benötigte.

Zwei Jahre später, nach dem Rücktritt Wulffs, war der Weg für Gauck frei. Obwohl die schwarz-gelbe Koalition über eine knappe Mehrheit verfügt hätte, wurde auf Druck der FDP Gauck als Kandidat von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen nominiert. Die Zeit der schwarz-gelben Dominanz war vorbei, ein Jahr später bildeten Union und SPD erneut eine Große Koalition – die nun für die Wahl am 12. Februar mit dem früheren Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) einen gemeinsamen Kandidaten nominiert hat.

Im nächsten Teil unserer Serie zur Bundespräsidentenwahl lesen Sie: Der Bundespräsident hat ein Minimum an Kompetenzen, aber ein Maximum an Autorität.

Die Bundespräsidentenwahl

Am Sonntag, 12. Februar, tritt um 12 Uhr mittags die Bundesversammlung im Reichstagsgebäude zusammen, um einen neuen Bundespräsidenten zu wählen. Weder der Ort noch der Tag der Bundespräsidentenwahl sind durch das Grundgesetz geregelt. Der erste Bundespräsident, Theodor Heuss, wurde am 12. September 1949 in Bonn gewählt, die nächsten vier Bundesversammlungen traten im Westteil Berlins zusammen.

In dem 1971 abgeschlossenen Vier-Mächte-Abkommen verzichtete die Bundesrepublik auf Berlin als Stätte der Präsidentenwahl, von 1974 bis 1989 fand sie in Bonn statt. Nach der Wiedervereinigung kehrte die Bundesversammlung nach Berlin zurück.

Der erste Präsident, Theodor Heuss, trat sein Amt am 12. September 1949 an. Nachdem der zweite Bundespräsident Heinrich Lübke (CDU) vorzeitig zum 30. Juni 1969 aus dem Amt schied, begann die Amtszeit des ersten Mannes im Staat jeweils am 1. Juli. Bundestagspräsident Karl Carstens (CDU) entschied sich bei der Vorbereitung der siebten Bundesversammlung 1979 dafür, die Wahl des Staatsoberhauptes auf den „Verfassungstag“ zu legen, den 23. Mai, den Tag, an dem 1949 das Grundgesetz verabschiedet wurde und in Kraft trat. Seine Nachfolger hielten bis zum überraschenden Rücktritt von Horst Köhler an diesem Termin fest.

In diesem Jahr wird wieder regulär gewählt – Artikel 54, Absatz 4 des Grundgesetzes legt fest, dass die Bundesversammlung spätestens 30 Tage vor Ablauf der Amtszeit des Bundespräsidenten zusammentreten muss. fer

 
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