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WASHINGTON
Medien wehren sich gegen Trump
Media counters Trump with #EnemyOfNone campaign       -  Hunderte US-Zeitungen beziehen Position gegen die ständigen Angriffe des US-Präsidenten, sie würden „Fake News“ verbreiten. Zu dem konzertierten Protest aufgerufen hatte der „Boston Globe“.
Foto: JOSEPH PREZIOSO, afp | Hunderte US-Zeitungen beziehen Position gegen die ständigen Angriffe des US-Präsidenten, sie würden „Fake News“ verbreiten. Zu dem konzertierten Protest aufgerufen hatte der „Boston Globe“.
Karl Doemens
Karl Doemens
 |  aktualisiert: 02.04.2019 11:36 Uhr

Die Redaktion der Meinungsseite des „Topeka Capital-Journal“ hatte sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Donald Trump sei ein Pöbler und kein richtiger Politiker, diskutierten die Journalisten. Doch das Land brauche eine radikale Veränderung. „Trump ist dreist. Trump ist kampfeslustig. Trump ist wagemutig. Er ist die beste Wahl, unsere desillusionierte Nation in die Zukunft zu führen“, postulierte das Blatt drei Tage vor der Präsidentschaftswahl im November 2016.

Das „Capital-Journal“ war eine der wenigen US-Zeitungen, die vor zwei Jahren zur Wahl von Trump aufriefen. Umso überraschter dürften die Leser in der traditionell republikanischen Weizenkammer Amerikas gewesen sein, als sie das Blatt am Donnerstag aufschlugen. „Die Presse ist nicht der Feind des Volkes“, war der Leitartikel fett überschrieben. „Journalisten sind es gewöhnt, beleidigt zu werden“, hieß es weiter: „Aber ein Feind des ganzen Volkes genannt zu werden, ist etwas anderes. Es ist unheimlich. Es ist zerstörerisch. Und es muss nun enden!“

Trumps Krieg gegen die Presse

Mit diesem ungewöhnlichen Appell steht das „Capital-Journal“ nicht allein. Insgesamt 350 Tageszeitungen vom „Arizona Daily Star“ bis zur „Plymouth Review“ in Wisconsin veröffentlichten am Donnerstag Leitartikel mit ähnlichem Tenor. In einer einzigartigen Aktion räumte die „New York Times“ ihre komplette Kommentarseite frei. In einem kleineren Text verurteilte sie die „gefährlichen Angriffe“ der Regierung und rief ihre Leser auf, eine Lokalzeitung zu abonnieren. Vor allem aber druckte sie Kommentarauszüge aus etwa hundert Blättern.

Aufgerufen zu diesem konzertierten Protest hatte der „Boston Globe“, nachdem Trump inzwischen einen regelrechten Krieg gegen die Presse führt und eine zunehmend gewaltbereite Stimmung in seiner Anhängerschaft anstachelt. „Unsere Worte mögen unterschiedlich sein. Aber wir sind uns einig, dass diese Attacken alarmierend sind“, hieß es im Aufruf des „Globe“. Tatsächlich haben Trumps Angriffe auf die Medien ein in demokratischen Ländern beispielloses Maß angenommen. Schon bei seiner Antrittsrede hatte er die Presse im Stalin-Stil als „Feind des Volkes“ verunglimpft, was er in jüngster Zeit regelmäßig wiederholt. Kritische Sender und Publikationen beschimpft er als Verbreiter von „Fake News“. „Haltet Euch an uns! Glaubt nicht den Mist von diesen Leuten, der Lügenpresse“, rief Trump kürzlich seinen Anhängern in Kansas zu: „Denkt immer daran: Was Ihr seht und was Ihr lest, ist nicht das, was wirklich passiert.“

Kritischen Fragen stellt sich Trump nicht. „CNN ist Fake News“, verweigerte er kürzlich eine Antwort. Kurz darauf wurde einer CNN-Korrespondentin der Zugang zu einer Pressekonferenz im Weißen Haus verwehrt. Mehrfach hat der Präsident angedroht, kritischen Korrespondenten die Akkreditierung im Weißen Haus komplett zu entziehen. Der gesamte Berufsstand sei „unehrenhaft“, beschwerte er sich kürzlich bei einer internen Besprechung im Weißen Haus: „Warum haben wir die hier drinnen?“

Personenschutz für Fernseh-Teams

Bei Kundgebungen wettert der Präsident regelmäßig gegen die „Volksfeinde“ und zeigt dann auf das Häuflein der Berichterstatter, das mitten in einer riesigen Halle oder einem Stadion hinter einem hüfthohen Gitter zusammengepfercht ist: „Die berichten das nicht. Die erfinden ihre Geschichten“, schießt er seine verbalen Kugeln ab. Die Menge grölt, streckt den Reportern den Mittelfinger entgegen und stört mit ohrenbetäubenden Sprechchören die Fernsehübertragung. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis es zu physischen Übergriffen kommt. Mehrere Fernsehsender mussten ihren Teams inzwischen Personenschutz zur Seite stellen.

Fast die Hälfte der republikanischen Wähler stimmt nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Ipsos der Diffamierung der Medien als „Feinde des Volkes“ inzwischen zu. Das stößt bei allen Medienvertretern auf Entsetzen. Doch über die richtige Reaktion sind sich die Journalisten nicht immer einig. So warnen kritische Stimmen vor der Gefahr, dass sich die Zeitungen selbst in eine Kombattanten-Rolle begeben und damit ihre Glaubwürdigkeit verspielen könnten. Deshalb beteiligten sich am Donnerstag mehrere namhafte Blätter nicht an der Leitartikel-Aktion.

 
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