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LONDON
May kämpft um ihr politsches Überleben
byl
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:51 Uhr

Es wirkt so, als wäre nichts passiert. Als hätte es das Politdrama nicht gegeben, das sich am Montag in Westminster abgespielt hat. Stattdessen lächeln auf dem veröffentlichten Foto mehr als zwei Dutzend Minister in die Kamera, sitzen in vereinter Runde um Premierministerin Theresa May. Sie hatte ihr Kabinett gestern Morgen in der Downing Street Nummer Zehn versammelt.

Vor den Politikern steht der Sitzordnung wegen jeweils ein Namensschildchen. Jene mit der Aufschrift „Boris Johnson“ und „David Davis“ wurden über Nacht aussortiert, nachdem die beiden Polit-Schwergewichte am Sonntagabend beziehungsweise Montagnachmittag mit großem Tamtam zurückgetreten waren und einen Machtkampf ausgelöst haben. Der Paukenschlag ist verklungen. Nun nahm Dominic Raab als Brexit-Minister am langen Tisch Platz, neben ihm saß der Johnson-Nachfolger und neue Außenminister Jeremy Hunt.

Karriere auf der Kippe

Nach der laut May „produktiven Sitzung“ ließ sie per Twitter wissen, sie „schaue voraus auf eine arbeitsreiche Woche“. War was? Die Regierungschefin kämpft um ihr politisches Überleben, doch nach außen hin gibt sie sich auffällig gelassen. „Großbritanniens Zombie weigert sich zu sterben“, schrieb ein politischer Kommentator. Und tatsächlich, die Karriere der Theresa May stand bereits mehrfach auf der Kippe. Wie oft der hartnäckigen Politikerin das Karriere-Aus vorhergesagt wurde, lohnt sich mittlerweile nicht mehr zu zählen. Dieses Mal scheint sie mit betonter Unterkühltheit den Kampf gegen die Hardliner in ihrer konservativen Partei aufnehmen zu wollen. Diese lehnen den Kompromissvorschlag ab, den das Kabinett am vergangenen Freitag vereinbart und in dem sich die Regierung intern erstmals seit dem Referendum im Juni 2016 auf einen Kurs über die Brexit-Verhandlungen geeinigt hat. Doch der Frieden hielt nur ein Wochenende lang. David Davis und Boris Johnson traten aus Unmut über den eingeschlagenen Weg zurück und kritisierten diesen in ihren Schreiben scharf, nannten ihn zu weich, zu kompromissbereit, zu EU-freundlich. Und überhaupt, man steuere „auf den Status einer Kolonie zu“, meinte Johnson in gewohnt überspitzter Rhetorik. Will der lautstarke Wortführer der Brexit-Anhänger Theresa May herausfordern? Er gehörte zu den größten Widersachern der Regierungschefin. Noch ist nichts über seine künftigen Pläne bekannt.

Während sich die nach dem Verlust der absoluten Mehrheit angeschlagene May in der Vergangenheit bemühte, sowohl die Europafreunde als auch die Gegner in den konservativen Reihen mehr schlecht als recht zufriedenzustellen und sich deshalb vor der Festlegung einer klaren Brexit-Linie drückte, antwortete sie nun mit Entschlossenheit auf die Kritik der beiden Hardliner – auch um Führungsstärke zu demonstrieren und Autorität zurückzugewinnen. Sie dankte den beiden Ex-Ministern, verteidigte ihren Plan als „den richtigen Brexit“ und scharte neue sowie alte Unterstützer um sich. Neu-Minister Dominic Raab etwa gehört zwar dem Brexit-Lager an, hat sich aber hinter Mays Kurs gestellt.

Tief gespaltene Tory-Partei

Doch selbst wenn sie mit ihrem Vorgehen derzeit Erfolg zu haben scheint, in den Hinterzimmern planen Tory-Rebellen ihre Absetzung. Ein Abgeordneter wird im „Guardian“ anonym mit den Worten zitiert, die Premierministerin sei „erledigt“. Gleichzeitig kann sich derzeit niemand vorstellen, dass es in naher Zukunft zu einem Misstrauensantrag kommt. Zu unsicher gilt es, dass die Hardliner genügend Mitstreiter gewinnen können, um ihre Chefin bei einem etwaigen Votum zu stürzen. In Downing Street geht man dagegen davon aus, dass May aus diesem politischen Chaos gestärkt hervorgehen kann. Rückendeckung erhielt sie in den vergangenen Tagen immerhin von etlichen Tory-Schwergewichten. Sie warnten die Konservativen davor, sich gegen die Pläne der Parteichefin zu stellen und damit „ein Scheitern des Brexit“ zu riskieren, wie es der Ex-Außenminister William Hague nannte. Andere Parlamentarier fürchten, dass die Turbulenzen der tief gespaltenen Partei eine Neuwahl auslösen und dann die oppositionelle Labour-Partei an die Macht komme könnte.

 
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