Nach dem Maut-Desaster gerät Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sogar in der eigenen Partei unter Druck. „Er ist angeschlagen“, sagte ein CSU-Vorstandsmitglied nach der Sitzung des Parteivorstandes am Montag in München. Demnach entzündet sich der Unmut über Scheuer nicht nur am Aus für die Pkw-Maut, sondern auch am Umgang mit anderen schwierigen Themen wie der Dieselkrise oder dem Tempolimit auf Autobahnen. „Vielen hat die Art der Kommunikation nicht gefallen – zu forsch, zu rechthaberisch“, erklärte ein anderer aus dem CSU-Vorstand.
Offene Angriffe auf Scheuer habe es in der Sitzung nicht gegeben, doch der Unmut in der CSU über ihren Minister wächst. Für seine Verteidigungsrede habe Scheuer am Montag nur ganz wenig Applaus erhalten. Auch Parteichef Markus Söder habe sich kritisch geäußert, ohne Scheuer direkt anzusprechen. Die CSU stehe beim Thema Maut nicht gut da, soll Söder gesagt haben.
Ein weiteres Vorstandsmitglied drückt es weit drastischer aus: „Wir wollten mit der Maut einen populistischen Sieg einfahren und am Ende steht jetzt womöglich ein Untersuchungsausschuss – schlimmer geht es nicht.“ Zumindest nach außen hin demonstriert die CSU Geschlossenheit. „Der Andreas Scheuer wird das sehr gut bestehen. Ich sehe da keine Probleme“, betonte Parteichef Söder öffentlich.
Zeit zum Durchschnaufen bleibt dem Minister nicht. Schon am Mittwoch wird es eng, wenn ihn die Opposition im Verkehrsausschuss des Bundestages in die Zange nehmen will. „Es war grob fahrlässig von Minister Scheuer, Maut-Verträge abzuschließen, obwohl der Europäische Gerichtshof in der Klage gegen Deutschland noch nicht entschieden hatte“, sagte der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn gegenüber dieser Redaktion. Er verlangte sogar die Ablösung des Ministers. Auf die Frage, ob der CSU-Politiker noch der richtige ist, um das Schlamassel zu bereinigen, antwortete Kühn: „Nein. Scheuer hat das Maut-Desaster zu verantworten.“ Nun müssten zunächst die Verträge mit den Maut-Betreibern auf den Tisch, um das finanzielle Risiko abschätzen zu können. Scheuer kündigte am Montagabend an, die Verträge sollten dem Bundestag „in geeigneter Form“ zugänglich gemacht werden. Es gebe nichts zu verbergen. Sollte Scheuer aus Sicht der Opposition die bohrenden Fragen nicht detailliert genug beantworten, will sie ihm mit einem Untersuchungsausschuss zu Leibe rücken.
Selbst der Koalitionspartner scheint die Geduld zu verlieren. Der Verkehrsminister müsse nun erklären, wie er aus den Maut-Verträgen heraus und woher er die 500 Millionen Euro nehmen wolle, die ab 2021 jährlich als Einnahmen eingeplant waren, sagte der SPD-Verkehrspolitiker Martin Burkert. Die Kündigung der Verträge mit den beiden Unternehmen hält er für ein Mittel Scheuers, um Zeit zu gewinnen. „Ich rechne mit langen Klageverfahren. Das geht zwei, drei Jahre.“ Wie aus einer kleinen Anfrage der Grünen hervorgeht, hat die Bundesregierung bislang 128 Millionen Euro für die Vorbereitung der Pkw-Maut auf Autobahnen ausgegeben. Unklar ist, wie hoch die Entschädigung für die Maut-Betreiber ausfallen wird. Schätzungen reichen von 300 bis 500 Millionen Euro.
Ausgerechnet die Österreicher, die gegen die deutsche Maut geklagt hatten, lenken nun den Fokus von Scheuer ab – wenn auch unabsichtlich. Weil in Tirol die Landstraßen für den Durchreiseverkehr gesperrt sind, ist die Empörung in Bayern groß (siehe nebenstehender Bericht).