Massive Kritik am Finanzgebaren des Bundes und an der Haushaltsführung der Großen Koalition hat der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, am Dienstag in Berlin geübt. Statt die günstigen Rahmenbedingungen mit hohen Steuereinnahmen und niedrigen Zinsen zu nutzen, den Haushalt zu konsolidieren und Schulden zu tilgen, um Handlungsspielräume für die Herausforderungen der Zukunft zu haben, mache die neue Regierung da weiter, wo die alte aufgehört habe und betreibe eine „expansive Ausgabenentwicklung“ mit Leistungsverbesserungen bei der Rente, mehr Mitteln für originäre Länderaufgaben und teuren Vergünstigungen wie dem Baukindergeld. Das aber nehme dem Haushalt „die Luft zum Atmen“.
Die günstigen Rahmenbedingungen würden „eine Scheinsicherheit“ erzeugen, sagte Scheller bei der Vorlage der „Bemerkungen 2018 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“. Mittelfristig werde der Bundeshaushalt „immer stärker unter Druck“ geraten. „Neu und notwendig wäre eine finanzwirtschaftliche Strategie, die einen nachhaltig tragfähigen Bundeshaushalt zum Ziel hat: konsolidieren, investieren, Schulden abbauen“, forderte Scheller.
In ihrem 300-seitigen Jahresbericht listen die Rechnungsprüfer einmal mehr Fehler, Versäumnisse und Fehlentwicklungen in den einzelnen Bundesministerien auf, insgesamt bezifferte Scheller die konkreten Vorschläge seiner Behörde auf ein Volumen von rund zehn Milliarden Euro. Nicht nur bei den Ausgaben gebe es Vergeudung und Verschwendung, sondern auch auf der Einnahmeseite würden dem Bund Haushaltsmittel in Milliardenhöhe entgehen, sagte Scheller. „Die Ursachen: verschleppte Steuerverfahren, sinkende Prüfungsquoten, unzulässige Doppelförderungen oder schlicht Unkenntnis.“ So habe zwar der Ankauf der CDs mit gestohlenen Kundendaten ausländischer Banken zu Steuernachzahlungen in Milliardenhöhe geführt, allerdings habe es die Finanzverwaltung versäumt, Hinterziehungszinsen auf die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer zu erheben. Dadurch seien dem Fiskus seit 2010 Einnahmen von rund einer Milliarde Euro entgangen. „Die Berechnung dieser Zinsen ist kompliziert, fehleranfällig und zeitaufwendig“, so Scheller. Noch dazu würden den Finanzämtern detaillierte Vorgaben sowie Beispiele zur Berechnung der Zinsen fehlen.
Ebenso bemängelte Scheller, dass die Zahlen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen in den Betrieben „dramatisch zurückgehen“. Ein Unternehmer müsse rein statistisch nur noch alle 71 Jahre mit einer Betriebsprüfung rechnen. „Die Folge: ungleichmäßige Besteuerung und mehr Umsatzsteuerbetrug.“ Das Finanzministerium sollte den Ländern eine Mindestquote vorgeben und für eine angemessene Prüfungsquote sorgen.
Bei der Stromsteuer sind dem Bund nach Erkenntnissen des Rechnungshofes rund 185 Millionen Euro entgangen, da Betreiber kleiner Energieerzeugungsanlagen einerseits staatliche Förderung erhalten hätten, andererseits von der Stromsteuer befreit gewesen seien. „Diese Doppelförderung ist aber schon seit 2009 nicht mehr zulässig und blieb vom Finanzministerium unbemerkt.“
Auf der Ausgabenseite übte der Rechnungshof einmal mehr Kritik am Verteidigungsministerium. So habe die Bundeswehr keinen vollständigen Überblick über den Bestand ihrer Sprengmittel. Zwar gebe es eine zentrale Datenbank, aber sie umfasse nicht alle Bestände und Lagerorte. Zudem wollte die Bundeswehr 240 neue Krankentransportfahrzeuge für den Sanitätsdienst im Inland kaufen, obwohl sich aus den Nutzungsdaten der letzten drei Jahre lediglich ein Bedarf von 200 Fahrzeugen ergeben habe, die noch dazu so ausgestattet werden sollten wie für einen Auslandseinsatz, was zu Mehrkosten von 190 000 Euro pro Fahrzeug führt. Für den Einsatz im Inland reicht nach Ansicht der Rechnungsprüfer aber die begrenzte Ausstattung vollkommen aus, was zu einer Einsparung von insgesamt 52 Millionen Euro führe.
Im Bereich des Verkehrsministeriums kritisierten die Prüfer, dass es wegen fehlender Standards kommunale Haltestellen von U- und S-Bahnen über Jahre mit mehreren Millionen Euro zu viel gefördert habe. „Einheitliche Standards hätten eine Überförderung verhindert“.