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Massenprotest gegen Trump
US-Präsident: Millionen Amerikaner gehen auf die Straße. Sie setzen ein Zeichen gegen Donald Trump. Die aggressive Antrittsrede von Obamas Nachfolger verstärkt vorhandene Sorgen.
Dr. Jens Schmitz
Jens Schmitz
 |  aktualisiert: 29.01.2017 03:44 Uhr

Am Tag nach der Amtseinführung des 45. US-Präsidenten Donald Trump ist die größte Protestbewegung in der Geschichte des Landes entstanden. Beim „Women's March on Washington“ gingen am Samstag allein in der Hauptstadt mindestens 500 000 auf die Straßen. In Los Angeles waren es sogar 750 000. Landesweit lagen die Schätzungen bei mehreren Millionen. Rund um den Globus solidarisierten sich weitere Demonstranten. Die neue Regierung reagierte auf Medienberichte mit Schärfe und rief dazu auf, offensichtliche Falschinformationen zu verbreiten.

Melissa Monsalve und Sara Rassi sind keine Musliminnen, aber heute sind sie in Washington mit Kopftuch unterwegs – der amerikanischen Fahne. „Meine Eltern sind aus Lateinamerika eingewandert“, erklärt die 24-jährige Monsalve. „Die Islamophobie unter Trump ist Teil einer Fremdenfeindlichkeit, die nicht zu einem Einwanderungsland passt.“ Rassi sagt, ihre Eltern seien während der Revolution aus dem Iran geflohen. Die 37-Jährige wünscht sich eine Gesellschaft, in der Menschen gleiche Rechte haben, unabhängig von Religion, Rasse oder Geschlecht.

Auf der National Mall in der Hauptstadt, wo nur vier Prozent Trump gewählt haben, wirkt die Gesellschaft heute noch einmal wie eine progressive Utopie: kreativ, heiter und bunt gemischt. Prominente Frauenrechtlerinnen wie Gloria Steinem halten genauso Ansprachen wie die Sängerinnen Alicia Keys und Madonna, Regisseur Michael Moore und die Schauspielerin Scarlett Johansson. Um sie herum wogt ein Meer aus Pink, viele tragen einen sogenannten Pussyhat: rosa Mützen mit Katzenohren. Der Name erinnert an den verniedlichenden Ausdruck „Pussycat“ (Miezekatze). Er soll aber auch an ein vulgäres Zitat Donald Trumps erinnern: „Wenn du ein Star bist, lassen sie dich alles tun“, hat der Immobilienmogul über Frauen gesagt. „Ihre Pussy begrapschen. Du kannst alles tun!“ Die Äußerung aus dem Jahr 2005 war im Wahlkampf bekannt geworden.

Hurrikan-Forscher Steven Stichter DC trägt ebenfalls einen Pussyhat. „Die Trump-Kampagne hat mit einer Grausamkeit über alle möglichen Gruppierungen gesprochen, die in völligem Widerspruch zu meiner Weltsicht steht“, sagt er. Der 53-Jährige beherbergt acht Gäste, die aus mehreren Bundesstaaten zu der Demonstration gekommen sind. „Ich möchte mich mit Leuten zusammentun, denen der Wert und die Würde von Menschen etwas bedeuten“, sagt er.

Männer sind zwar in der Minderheit, aber stark vertreten. Manche haben ganz persönliche Gründe. „Ich bin für Gleichberechtigung der Geschlechter, ich habe adoptierte Zwillingstöchter“, sagt der 52-jährige Grundschullehrer Joe Collins-Towery. Collins-Towery ist seit 17 Jahren mit seinem Partner Chris zusammen, 2008 haben die beiden in Kalifornien geheiratet.

Die Stimmung im Gedränge ist gelöst, dazu trägt auch die Kreativität der Plakate bei, die viele mitführen: Zeichnungen von Eierstöcken mit dem Warnhinweis „Nur auf Einladung“ schweben genauso über der Menge wie bissige Vaginas und Katzenbilder mit Trump-Attacken („Nimm deine kleinen Hände von meiner Pussy“). „Dumbledore's Army“ probt den Aufstand gegen die Diktatur; aus dem 60er-Jahre Protestsong „We shall overcome“, wird „We shall overcomb“, eine Anspielung auf die Frisur des neuen Präsidenten. Was die Teilnehmer auf lange Sicht eint, ist weniger klar. Es geht um Frauenwürde und Gleichberechtigung, aber das Thema Abtreibung hat konservativere Gruppen auch ferngehalten.

Manche wollen Trump sofort aus dem Amt jagen, andere nur das Wahlmännergremium abschaffen, das ihm zum Sieg verhalf, obwohl er knapp drei Millionen Stimmen weniger hatte als seine Gegnerin Hillary Clinton. Es gibt Gruppen, die für die Rechte sexueller Minderheiten eintreten und solche, die die „Black Lives Matter“-Bewegung verteidigen, Demonstranten für Klimaschutz und solche für Jobs. Viele von ihnen haben Schnittmengen, aber die größte ist der gemeinsame Feind: Donald Trump.

An internationaler Solidarität herrscht dabei kein Mangel. „Mir hat eine Freundin aus Deutschland die Reise bezahlt“, sagt Candace Taylor (55), die aus North Carolina nach Washington gekommen ist. Die Aktion „Pussyhat Project“ hat aus der Bundesrepublik viele selbstgestrickte Mützenspenden erhalten.

Rund um den Globus kommt es am Samstag zu Solidaritätskundgebungen. Eine Übersicht von Forschern der Hochschulen University of Connecticut und University of Denver beziffert die Teilnehmer allein in den USA zwischen 3,6 und 4,5 Millionen. In Chicago musste ein geplanter Demonstrationszug durch die Innenstadt abgesagt werden, nachdem 250 000 Menschen die Straßen verstopften. In New York zählte Bürgermeister Bill de Blasio 400 000. Die Organisatoren der Hauptveranstaltung in Washington hatten ursprünglich 200 000 Teilnehmer angemeldet, veranschlagten die Zahl der Erschienenen aber schließlich mit 500 000.

Die neue Regierung reagiert auf die Bewegung empfindlich. US-Präsident Donald Trump nutzt seinen Antrittsbesuch bei der CIA zu einer Tirade gegen die Medien, die den Zustrom zu seiner Vereidigung am Vortag falsch dargestellt hätten. Der National Park Service erhielt vorübergehend Twitter-Verbot, nachdem er vergleichende Bilder von 2009 und 2017 verbreitet hatte. 2009 hatten weit mehr Menschen die Amtseinführung von Barack Obama besucht. Trumps Sprecher Sean Spencer berief die Presse zu einem zornigen Statement ein. „Wir wissen, dass 420 000 Menschen das U-Bahn-System benutzt haben, während es bei Präsident Obamas letzter Amtseinführung 317 000 waren“, sagte Spencer. Allerdings verglich er verschiedene Tageszeiten; in Wirklichkeit lag der Metro-Zuspruch bei Obamas beiden Vereidigungen höher als derjenige bei Trump. Spencer geißelte „die Unehrlichkeit“ der Medien: „Dies war das größte Publikum, das je einer Amtseinführung beigewohnt hat, Punkt.“

 
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