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BERLIN
Martin Schulz redet sich in Rage
Bundestag       -  Martin Schulz, ehemaliger SPD-Parteivorsitzender, greift die AfD bei der Bundestagsdebatte an.
Foto: Kay Nietfeld, dpa | Martin Schulz, ehemaliger SPD-Parteivorsitzender, greift die AfD bei der Bundestagsdebatte an.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:05 Uhr

Die Debatte ist noch nicht einmal eine Viertelstunde alt, da platzt dem früheren SPD-Chef Martin Schulz der Kragen. Nach der Rede von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, der als Vorsitzender der größten Oppositionspartei die traditionelle Generaldebatte zum Haushalt der Bundeskanzlerin eröffnet und dabei ausschließlich zum Thema Flüchtlinge gesprochen und Straftaten von Asylbewerbern aufgelistet hat, will Schulz das Wort zu einer Kurzintervention.

Und dann poltert der frühere Präsident des Europaparlaments los: „Die Reduzierung komplexer Sachverhalte auf ein Thema ist ein tradiertes Mittel des Faschismus“, ruft er in einem überaus emotionalen Beitrag. Der AfD-Chef reduziere alles auf ein einziges Thema: „Die Migranten sind an allem schuld. Eine ähnliche Diktion hat es in diesem Hause schon einmal gegeben.“ Jeder weiß, wer gemeint ist, auch wenn Schulz es nicht sagt.

Das Zeigen des Hitlergrußes in der Öffentlichkeit sei nicht, wie Gauland sage, „unappetitlich“, sondern „eine Straftat“. Es werde Zeit, „dass die Demokratie sich gegen diese Leute wehrt“. Da erheben sich nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch Linke und Grüne von ihren Plätzen, Applaus gibt es auch von Unionsabgeordneten und Liberalen.

Und Schulz redet sich in Rage. Wenn Gauland zu seiner Rechtfertigung sage, Hitler und die Nationalsozialisten seien „nur ein Vogelschiss“ in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte, sage er: „Herr Gauland, die Menge von Vogelschiss ist ein Misthaufen – und auf den gehören Sie in der deutschen Geschichte.“

Alexander Gauland will das nicht auf sich sitzen lassen. „Das ist nicht mein Niveau“, sagt er. Seine Äußerungen hätten „mit Faschismus überhaupt nichts zu tun“. Vielmehr unternehme Schulz nur den Versuch, die AfD „aus dem demokratischen Konsens auszugrenzen“, aber das werde nicht gelingen.

In seiner Rede hatte Gauland Merkel dafür verantwortlich gemacht, dass ein Riss durch die Gesellschaft gehe, mehr noch, mit der Äußerung, dass es in Chemnitz „Hetzjagden“ gegeben habe, habe die Bundesregierung zusätzliches Öl ins Feuer gegossen. Sie versuche, die Opposition „zu kriminalisieren, indem Sie eine Art Volksfront gegen die AfD aufbauen“. Und dann attackiert er die Kanzlerin persönlich: „Der Mensch ist zu klein, das Amt ist zu groß.“

Die Ereignisse von Chemnitz sowie die jüngsten umstrittenen Äußerungen von Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen prägen die Generaldebatte. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel beschäftigt sich ausführlich damit. „Ich kann jeden verstehen, der darüber empört ist, wenn sich nach einer Straftat herausstellt, dass der Täter vorbestraft oder ausreisepflichtig ist“, sagt sie. Straftaten durch Asylbewerber machten sie „betroffen“, die Täter müssten mit der Härte des Gesetzes bestraft werden.

Gleichwohl sei Wut über ausländische Täter „keine Entschuldigung für menschenverachtende Demonstrationen, Hetze, Gewalt und Naziparolen“, der Artikel 1 des Grundgesetzes gelte für jeden Menschen. „Wir werden nicht zulassen, dass klammheimlich ganze Gruppen in unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden.“ Juden und Muslime gehörten „genauso wie Christen und Atheisten“ zur deutschen Demokratie, zur Gesellschaft und auch in die Parteien. Ohne Innenminister Horst Seehofer beim Namen zu nennen, appelliert die Kanzlerin an alle, sich an die Regeln zu halten – „die können nicht durch Emotionen ersetzt werden“.

Auch FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner knöpft sich in einer leidenschaftlichen Rede sowohl AfD-Chef Alexander Gauland als auch Innenminister Horst Seehofer vor. Gauland wirft er vor, nur ein einziges Thema zu haben und auf dem rechten Auge blind zu sein. Seehofer wiederum handle „verantwortungslos“, wenn er die Migration „die Mutter aller Probleme“ nenne.

Am Ende der Debatte kommt es schließlich zum Eklat: Der SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs, der gerne rhetorisch austeilt, attackiert in scharfer Form die AfD. „Rechtsradikale in diesem Parlament sind unappetitlich.“ Die AfD habe nur „dumme Sprüche“ parat, aber keine Inhalte, keine Lösungen. „Hass macht hässlich, schauen Sie in den Spiegel.“ Und eine Zwischenfrage der AfD will er nicht zulassen: „Von Rechtsradikalen brauche ich keine, danke.“ Da stehen die AfD-Abgeordneten auf und verlassen geschlossen den Saal – um nach seiner Rede wieder ihre Plätze einzunehmen.

 
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