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PARIS
Marine Le Pen wittert Verschwörung
FRANCE-VOTE-REGIONALES-NORD       -  Verschwörung? Für Marine Le Pen haben „geheime Verbindungen“ dafür gesorgt, dass ihrem Front National Wahlsiege in den Regionen versagt blieben.
Foto: Francois lo presti, afp | Verschwörung? Für Marine Le Pen haben „geheime Verbindungen“ dafür gesorgt, dass ihrem Front National Wahlsiege in den Regionen versagt blieben.
Birgit Holzer
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:58 Uhr

Scharfe Töne ist man vom Front National gewöhnt – sie gehören zum Selbstverständnis der Partei. Doch nachdem sie bei der zweiten Runde der französischen Regionalwahlen am Sonntag leer ausging, obwohl sie sich nach der ersten noch als stärkste Kraft positioniert hatte, fallen die verbalen Schläge gegen das „System“, das sie ausbremste, härter aus denn je. Parteichefin Marine Le Pen sprach von einer Verleumdungskampagne, die „in den vergoldeten Palästen der Republik“ vorbereitet worden sei. Die Wahl enthülle die „geheimen Verbindungen“ zwischen jenen, die die Macht unter sich aufteilen, erklärte die 47-jährige Rechtspopulistin in verschwörerischem Ton. Nur vermeintlich gebe es in Frankreich ein Drei-Parteien-System, in Wahrheit handle es sich um zwei Blöcke: der Front National gegen den Rest.

Isolierte Position

Dieser hatte nach der ersten Runde am 6. Dezember in sechs von 13 Regionen an der Spitze gelegen, teils mit einem Vorsprung von bis zu 15 Prozentpunkten. Doch in ihren beiden stärksten Bastionen, dem Nord-Pas-de-Calais-Picardie mit Marine Le Pen als Listenführerin und Provence-Alpes-Côte d'Azur mit ihrer Nichte Marion Maréchal-Le Pen an der Spitze, zogen die Sozialisten ihre Kandidaten zugunsten der konservativen Bewerber zurück. Auch erlaubte die isolierte Position des Front National keine Bildung von Wahlbündnissen, wie sie die Republikaner mit den Zentrumsparteien und die Sozialisten teilweise mit Grünen, Kommunisten und radikaler Linken eingingen.

So unterlag Marine Le Pen im Norden mit 42,2 Prozent Ex-Arbeitsminister Xavier Bertrand und Maréchal-Le Pen holte nur 45,2 Prozent gegen den Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi. Es gebe „Siege, die Schande über die Gewinner bringen“, tönte die 26-jährige Jungpolitikerin. „Im Namen der Werte der Republik haben sie die Demokratie sabotiert.

“ Dabei konnte der Front National die Zahl der Regionalräte verdreifachen und in der zweiten Runde einen Gewinn um 200 000 Wählerstimmen auf 6,8 Millionen verzeichnen. Wie alle Parteien profitierte er vom Anstieg der Beteiligung zwischen beiden Wahlgängen von 49 auf 58,5 Prozent. Er hat das höchste Ergebnis in seiner Geschichte erreicht und sogar jenes der Präsidentschaftswahlen 2012 übertroffen, als 6,4 Millionen für Marine Le Pen votierten.

Besonders stark war er in Gebieten, wo er auf lokaler Ebene regiert, etwa dem nordfranzösischen Städtchen Hénin-Beaumont. „Wir haben das gesamte Mediensystem, die Großen dieser Welt, die Gutmenschen gegen uns“, schimpfte dessen Bürgermeister Steeve Briois. Aber: „Es gibt keine Niederlage, wir legen bei jeder Abstimmung zu.“

Genau deshalb gilt das Votum den etablierten Parteien als Warnung. Triumphgejohle ertönt von keiner Seite. „Die Gefahr der extremen Rechten ist nicht gebannt“, warnte Premierminister Manuel Valls. „Das zwingt uns dazu, die Franzosen mehr zu hören, ohne Unterlass und schneller zu handeln.

“ Mit dem Sieg in fünf Regionen konnten die Sozialisten, die bislang alle Metropolregionen außer das Elsass kontrollierten, das Ausmaß der erwarteten Schlappe zumindest begrenzen. Eine Rolle spielte dabei wohl die Aufhellung der Umfragewerte für das Regierungsduo Valls/Präsident François Hollande seit den Pariser Terroranschlägen, deren entschlossenes Auftreten eine Mehrheit der Franzosen überzeugte.

Das beste Ergebnis erzielte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian mit 51 Prozent der Stimmen in der Bretagne – sogar ohne die Hilfe der Grünen als Verbündete. Indem er seinen Kabinettsposten nicht aufgibt, obwohl er den Vorsitz des Regionalparlaments übernimmt, bricht der enge Vertraute von Hollande dessen Versprechen, der in Frankreich verbreiteten Ämterhäufung ein Ende zu setzen.

Sarkozys scharfer Rechtskurs

Knapp verloren ging den Sozialisten neben der Normandie die Hauptstadtregion, die durch ihre wirtschaftliche Stärke ein besonderes Gewicht hat. Davon abgesehen bleiben die Republikaner mit dem Gewinn von sieben Regionen hinter den Erwartungen zurück, zumal sie drei davon nur dank der Stimmen der Linken gegen den Front National holten.

Dass viele ihrer eigenen Wähler zur extremen Rechten übergewechselt sind, widerlegt Parteichef Nicolas Sarkozy. Er hatte seine Rückkehr in die Politik und seinen scharfen Rechtskurs mit dem Argument begründet, er allein könne „die Republik vor dem Front National“ bewahren. Nun betont er die „Einheit der Parteienfamilie“, während sein stärkster innerparteilicher Rivale, Ex-Premierminister Alain Juppé, von einer „Pflicht zur Klarsichtigkeit“ spricht, um Lektionen aus diesem Urnengang zu ziehen. Es war der Letzte vor den Präsidentschaftswahlen 2017 – und der Wahlkampf hat begonnen.

 
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