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PARIS
Marine Le Pen entmachtet ihren Vater
Angespanntes Verhältnis: Jean-Marie Le Pen (links), Ex-Chef des Front National, und seine Nachfolgerin Marine Le Pen.
Foto: ArchivValery Hache, afp | Angespanntes Verhältnis: Jean-Marie Le Pen (links), Ex-Chef des Front National, und seine Nachfolgerin Marine Le Pen.
reda
 |  aktualisiert: 08.04.2015 19:11 Uhr

Frankreichs rechtsextremer Front National will seinen Gründer Jean-Marie Le Pen politisch kaltstellen. „Vollständig und definitiv“ soll es diesmal sein. Lange Jahre hat die Partei eindeutige Verurteilungen der antisemitischen und rassistischen Ausfälle des heute 86-Jährigen den französischen Gerichten überlassen. Nun wird es selbst Tochter und Parteichefin Marine Le Pen zu viel.

Die jüngste Entgleisung von Jean-Marie Le Pen datiert von Anfang April. In einem Fernsehinterview bekräftigte er eine Aussage, für die er bereits verurteilt ist: Gaskammern seien ein „Detail der Geschichte“ des Zweiten Weltkriegs. Er erhalte dies aufrecht, weil er glaube, dass es die Wahrheit sei, setzte Le Pen nach. Die Staatsanwaltschaft ermittelt erneut wegen Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Für solche Ausfälle ist Le Pen bekannt und in der Partei gefürchtet. Im vergangenen Jahr hatte er zur Kritik des französischen Sängers und Juden Patrick Bruel gesagt: „Da machen wir das nächste Mal eine Ofenladung.“ Roma bezeichnete er 2012 als Vögel, die von Natur aus stehlen.

Die 46-jährige Marine Le Pen, vor vier Jahren zur Nachfolgerin ihres Vaters an der Parteispitze gewählt, sieht den Ehrenvorsitzenden der 1972 gegründeten Partei in einem Teufelskreis „zwischen einer Strategie der verbrannten Erde und politischem Selbstmord“. Nach längeren Auseinandersetzungen in Partei und Familie zieht sie nun die Reißleine: Sie will ihren Vater entmachten und eine bereits angekündigte Kandidatur bei den Regionalwahlen im Dezember verhindern.

Lange Zeit hielten Partei und Tochter still. Der Front National hat seinem Gründer nicht nur seinen Aufstieg zu verdanken. Auch ein sensationeller Erfolg 2002 ist mit seinem Namen verbunden: In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl warf er den Sozialisten Lionel Jospin aus dem Rennen und unterlag erst in der Stichwahl klar gegen den damaligen Amtsinhaber Jacques Chirac.

Seit ihrer Amtsübernahme als Parteivorsitzende versucht Marine Le Pen, dem Front National (FN) einen bürgerlichen Anstrich zu geben. Zwar ist auch sie vor Ausfällen nicht gefeit – so verglich sie betende Muslime auf der Straße in Paris mit Nazis während der Besatzungszeit – doch umschreibt sie ihren Kurs gegen Europa und Ausländer oder für eine Abschottung Frankreichs meist mit gefälligeren Formulierungen.

Die FN-Führung vermittelte am Mittwoch einen geschlossenen Eindruck gegen Vater Le Pen. Der anscheinend Isolierte kann für etwaige Gegenwehr auf erstklassige Informationen zurückgreifen: Als Ehrenvorsitzender sitzt er auch in dem Gremium, das nun sein politisches Aus beschließen soll.

 
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