Seit den Übergriffen in Köln sind Pfefferspray und andere Selbstverteidigungsmittel nach Branchenangaben stark gefragt. „Die Fachgeschäfte bemerken seit Silvester einen massiven Anstieg der Nachfrage“, sagte der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB), Ingo Meinhard, am Freitag. Es gebe ein „subjektives Bedrohungsgefühl“, sagte er. In der Silvesternacht hatten sich am Kölner Hauptbahnhof nach Angaben der Polizei aus einer Menge von rund 1000 Männern heraus Gruppen gelöst, die vor allem Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen haben sollen. Es zeichnet sich ab, dass womöglich auch Ausländer an den Übergriffen beteiligt waren. Für Ausländer in Deutschland hat ein Strafverfahren oft auch ausländerrechtliche Folgen. So kann der Betroffene durch die Verurteilung sein Aufenthaltsrecht verlieren und nach Verbüßung der Haftstrafe aus der Bundesrepublik ausgewiesen und in sein Heimatland abgeschoben werden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann plädiert für konsequentes Abschieben aus allen Bundesländern, nicht nur aus dem Freistaat.
Joachim Herrmann: Das kann in einzelnen Fällen die richtige Antwort sein. Und so etwas hat es auch schon gegeben, mit einigen Ländern hat die Bundesrepublik sogar entsprechende Abkommen geschlossen. Aber es muss auch sichergestellt sein, dass ein in Deutschland verurteilter Straftäter in seinem Heimatland nicht nach drei Tagen wieder freigelassen wird. Generell gilt: Wer bei uns gegen Gesetze verstößt, verwirkt sein Recht, in unserem Land aufgenommen zu werden – und zwar nicht erst, wenn er jemanden ermordet hat. Nur damit das klar ist: Wir reden nicht von Menschen, die ein Brötchen gestohlen haben. In Fällen von körperlicher Gewalt allerdings muss die Schwelle, von der ab jemand ausgewiesen wird, deutlich niedriger sein als drei Jahre Haft.
Herrmann: Wir müssen die Rückführung von Straftätern oder abgelehnten Asylbewerbern deutlich beschleunigen und erweitern – auch in einige afrikanische Staaten. Wenn Länder sich weigern, diese Menschen wieder aufzunehmen, kann man meines Erachtens auch diesen Hebel ansetzen. Wir reden hier von deutschen Steuergeldern: Um Entwicklungshilfe zu erhalten, muss ein Entwicklungsland auch in solchen Fragen kooperativ sein.
Herrmann: Die Neuregelung des Ausweisungsrechtes ist gerade erst in Kraft getreten – am 1. Januar. Umso wichtiger ist es, dass Bund und Land sich von Anfang an einig sind, wie sie diese Neuregelungen interpretieren. Das bedeutet, dass vor allem Straftäter schneller in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden. Das ist eine Frage des Vollzugs, ja.
Heute lachen uns manche Täter doch aus, weil wir sie nicht abschieben, so lange ihr Asylverfahren läuft. Hier muss der Bund dafür sorgen, dass die Verfahren schneller abgeschlossen werden. Dass niemand in ein Land zurückmuss, in dem ihm Folter oder gar die Todesstrafe drohen, versteht sich von selbst.
Herrmann: Das ist in der Tat das Problem. Den wohlfeilen Reden müssen daher Taten folgen. Uns hilft es nichts, wenn die Bundespolitik vollmundig erklärt, es müsse entschlossener ausgewiesen werden, einige Länder dann aber gleich auf Tauchstation gehen. Es kann durchaus sein, dass wir die geltenden Regelungen an der einen oder anderen Stelle noch etwas präziser und verbindlicher formulieren müssen.
Herrmann: Entscheidend ist, dass die Polizei ein überzeugendes Einsatzkonzept hat, dass Verdächtige festgenommen werden und dass zügig ermittelt wird. Wir werden nicht jeden Winkel Deutschlands mit Video überwachen können. Das Besondere in Köln war dieses Massenhafte. Für mich ist es nur schwer nachzuvollziehen, warum auch nach zwei oder drei Stunden noch immer nicht genug Polizei vor Ort war, um dort aufzuräumen.
Herrmann: Die Hauptverantwortung für das, was in Köln passiert ist, hat zweifellos die Landespolizei in Nordrhein-Westfalen. Dass die Bundespolizei stark an der Grenze gefordert ist, ist sicherlich richtig, aber darauf darf man sich in einer solchen Situation nicht herausreden.
Herrmann: Über personelle Konsequenzen muss das Land Nordrhein-Westfalen entscheiden. Da will ich mich von Bayern aus nicht einmischen.
Herrmann: Wir haben eine klare Position: Die Zahl der Flüchtlinge muss deutlich reduziert werden, dazu haben sich im Prinzip auch die CDU und die Bundeskanzlerin bekannt. Jetzt kommt es darauf an, das möglichst rasch umzusetzen. Darauf werden wir auch in den nächsten Wochen mit Nachdruck drängen.
Joachim Herrmann
Der gelernte Jurist ist seit Oktober 2007 bayerischer Innenminister. Der Franke – Herrmann stammt aus Erlangen – zog 1998 in den Landtag ein und war unter anderem Staatssekretär im Arbeitsministerium und Fraktionsvorsitzender der CSU. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Text: AZ/Foto: dpa