Es sind nur noch fünf Minuten bis zum Aufprall, doch auf der Brücke wird gelacht. Blechern klingen die Aufnahmen aus dem Kommandostand der Costa Concordia in der Unglücksnacht, die am Dienstag im Teatro Moderno von Grosseto abgespielt werden. Wie immer im seit Juli 2013 laufenden Prozess gegen den Ex-Kapitän Francesco Schettino ist das städtische Theater in einen Gerichtssaal umgewandelt. Die drei Richter sitzen auf der Bühne, seitlich versetzt sitzt der Angeklagte mit seinen Anwälten.
Am Dienstag wird Schettino erstmals selbst befragt. Er will nicht, dass die Kamera ihn während der Vernehmung zeigt. Also bekommt, wer den Prozess im italienischen Fernsehen verfolgt, ein eigenartiges Szenario dargeboten: Knarzende Audio-Aufnahmen von der Brücke, auf eine Leinwand wird das Satellitenbild der damaligen Schiffsroute vor der Insel Giglio projiziert, dazu die Stimme Schettinos, der mit neapolitanischem Einschlag auf die Fragen von Staatsanwalt Alessandro Leopizzi antwortet.
Schuld und allgemeines Versagen
„Ich habe immer gesagt, dass ich Verantwortung hatte und Fehler gemacht habe“, so lautet einer der Sätze, den Schettino fast beiläufig fallen lässt. Oder er sagt, in einem Ton, der zwischen voller Überzeugung und unsicherem Stammeln wechselt: „Glauben sie nicht, dass ich keinen Schmerz für diese Dummheit empfinde. Es hätte genügt, miteinander zu sprechen.“ Dann legt Schettino seine Version des 13. Januar 2012 dar. 32 Menschen kamen damals ums Leben, als das mit 4229 Passagieren besetzte Kreuzfahrtschiff vor der Insel Giglio einen Felsen rammte und zur Hälfte versank.
Schettino zeichnet das Bild eines allgemeinen Versagens. „Ich wollte drei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, sagt der 54 Jahre alte Ex-Kapitän. Sowohl zu Ehren des von der Insel stammenden Restaurantchefs der Costa Concordia als auch zu Ehren eines befreundeten Ex-Kapitäns wollte er das Schiff in voller Beleuchtung und mit Sirenen nahe an Giglio heranfahren lassen. Dazu seien „kommerzielle Aspekte“ von Seiten der Reederei Costa Crociere gekommen. Die Reederei wünscht Küstenpassagen, um bei der Bevölkerung an Land für ihre Schiffe zu werben.
Nach der Rekonstruktion der Anklage ist Schettino erst zehn Minuten vor dem Aufprall vom Abendessen zurück auf die Brücke gekommen. Das Schiff sei zu diesem Zeitpunkt bereits außerhalb der geplanten Route gefahren. „Mir wurde ein Topf übergeben, ohne dass ich wusste, dass er kochend heiß ist“, so umschreibt Schettino die Situation der Übergabe des Kommandos. Dass der Kapitän bei solchen Manövern nicht von Beginn an auf der Brücke anwesend ist, sei normal. „Wie kann es aber sein, dass niemand mit mir gesprochen hat“, fragt er und beschuldigt so die diensthabenden Offiziere.
Der Ex-Kapitän berichtet, der indonesische Steuermann Jacob Rusli Bin habe anschließend zwei auf Englisch gegebene Kommandos falsch ausgeführt, die zum Aufprall geführt hätten. Der Matrose, der nach eigener Aussage 20 Tage zuvor noch für Putz- und Lackierarbeiten auf dem Schiff zuständig war, hatte wie vier andere an dem Unglück beteiligte Offiziere in einem verkürzten Strafverfahren seine Schuld eingestanden und war wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einem Jahr und acht Monaten Haft verurteilt worden. Schettino, dessen Antrag auf ein verkürztes Verfahren die Staatsanwaltschaft ablehnte und dem vorgeworfen wird, das sinkende Schiff zu früh verlassen zu haben, muss mit über 20 Jahren Haft rechnen. Beim Aufprall der Costa Concordia auf die Felsen vor der Insel Giglio ist in den Tonaufzeichnungen seine Stimme zu hören: „Madonna, was habe ich nur gemacht!“