Mit ihm würden sie ein Ende haben, die Skandale und Affären um Regierungsmitglieder oder -mitarbeiter, die ein übles Licht auf die Politik werfen und die ablenken von den eigentlichen Problemen des Landes – das hatte Emmanuel Macron bei seiner Wahl zum französischen Präsidenten vor gut einem Jahr versprochen. Transparent werde er regieren, „untadelig“ sein. Nun aber findet auch Macron sich wie früher schon seine Vorgänger Nicolas Sarkozy und François Hollande im Strudel einer Affäre, die in den vergangenen Tagen Fahrt aufnahm, ohne dass er sie bremste oder sich dazu äußerte.
Justiz nicht informiert
Die Medien sprechen ohne Pause über seinen bisherigen Sicherheitsbeauftragten Alexandre Benalla, seit dieser auf Videos vom 1. Mai dieses Jahres identifiziert wurde, die zeigen, wie er zwei Demonstranten brutal anging. Der 26-Jährige, der Macron schon im Wahlkampf und auch danach im Präsidentenamt begleitete und zu seinem engeren Kreis gehört, trug dabei einen Polizeihelm, obwohl er kein Polizist ist und nur als „Beobachter“ eingesetzt war. Bereits ab dem 2. Mai wusste der Élysée-Palast von den Vorfällen, begnügte sich aber damit, Benalla zwei Wochen ohne Gehalt vom Dienst zu suspendieren und seither zumindest überwiegend im Inneren von Macrons Amtssitz einzusetzen. Doch die Justiz wurde damals nicht informiert, wie es vorgeschrieben gewesen wäre.
Erst nach Bekanntwerden der Vorfälle nahm sie Ermittlungen auf und klagte Benalla unter anderem wegen Gewalttätigkeit und Amtsanmaßung an. Am Freitag beschloss der Élysée-Palast Benallas Entlassung – viel zu spät, wie Kritiker monieren. Oppositionspolitiker wie der Linke Jean-Luc Mélenchon und die Rechtspopulistin Marine Le Pen zogen bereits Vergleiche mit dem Watergate-Skandal in den USA. Aber auch LREM-Abgeordnete stellen drängende Fragen über die Rolle von Benalla, der bis vor kurzem stellvertretender Büroleiter des Élysée-Palastes war und gerade eine neue Dienstwohnung in einem schicken Pariser Viertel bezogen hatte, sowie den milden Umgang mit ihm. So kam auch heraus, dass er einen Zugang zur Nationalversammlung besaß, obwohl sich der Präsident, für dessen Sicherheit er zuständig war, nie dort aufhält. Die geplanten Parlamentsdebatten über die anstehende Verfassungsreform wurden auf nach der Sommerpause verschoben – zu groß ist derzeit der Aufruhr.
"Schockierendes Verhalten"
Nicht nur Macrons Vertrauter und Innenminister Gérard Collomb geriet unter Beschuss, der am Montag – wie auch der Polizeipräfekt von Paris – gegenüber einem Senatsausschuss Rede und Antwort stand und sich dabei selbst entlastete: Er sei nicht zuständig gewesen für die Sanktionierung Benallas. Sondern zunehmend auch der Präsident selbst, dem die Medien „lärmendes Schweigen“ zu den Vorwürfen vorwerfen. Zumindest in einem kleinen Kreis von Mitarbeitern hat sich Macron am Sonntag geäußert, die im Anschluss wissen ließen, dass er das „schockierende und inakzeptable Verhalten“ Benallas verurteile, ebenso wie „klare Funktionsmängel“ innerhalb des Élysée-Palastes, der neu organisiert werden solle. Offiziell Stellung beziehe er aber erst, „wenn er es für richtig befindet“ – mit dem Risiko, dass die Medien-Hysterie weitergeht und das Unverständnis in der Bevölkerung über seine abgehobene Distanz wächst.