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TEHERAN
Machthaber in Teheran überlassen nichts dem Zufall
Von unserem Korrespondenten martin gehlen
 |  aktualisiert: 10.06.2013 19:50 Uhr

Nichts ist geblieben von der politischen Festivalstimmung vor vier Jahren. Damals im Juni 2009, wenige Tage vor der Wahl, bildete eine halbe Million Anhänger der Grünen Bewegung eine Menschenkette quer durch Teheran. Abend für Abend versammelten sich Zehntausende junge Leute im zentralen Mellat-Park, saßen bis in die frühen Morgenstunden zusammen und diskutierten über Politik. Junge Frauen auf Rollerblades kreisten durch die Viertel, verteilten grüne Schals und grüne Stirnbänder.

Ganz anders diesmal – wenige Tage vor der Präsidentenwahl an diesem Freitag. Vereinzelt säumen Plakate der Kandidaten die Straßen. Kundgebungen unter freiem Himmel sind verboten, das Internet gedrosselt, an jeder Ecke stehen unauffällig-auffällig Aufpasser des Regimes, um jedes Aufbegehren im Keime zu ersticken.

Kandidaten ausgeschlossen

Nach der Beinahe-Revolution vor vier Jahren wollen die Machthaber um Revolutionsführer Ali Khamenei heute nichts dem Zufall überlassen. Im Vorfeld bereits schloss der Wächterrat in einem total undurchsichtigen Verfahren alle Kandidaten aus, die die Sehnsucht der Bevölkerung nach gesellschaftlicher Öffnung hätten artikulieren können. So darf Ex-Präsident Akbar Hashemi Rafsandjani nicht antreten genauso wie der schillernde Kritiker klerikaler Vormacht, Esfandiar Rahim Mashaie. Stattdessen wurden acht Bewerber ausgesiebt, von denen sechs stramm auf Khamenei-Linie sind und zwei in Nuancen moderater.

Und so blieb es bisher bei ganz wenigen Eruptionen der Aufsässigkeit – auch wenn es in Isfahan auf der Beerdigung eines prominenten Ajatollahs letzte Woche zur größten regierungskritischen Kundgebung seit zwei Jahren kam. „Tod dem Diktator“, skandierte die vieltausendköpfige Menge an die Adresse Khameneis. In Teherans Norden hielten junge Leute bei einer Wahlkampfveranstaltung von Hassan Rowhani Plakate von Mir-Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi hoch, den beiden Kandidaten der Grünen Bewegung 2009, und skandierten „Freiheit, Freiheit“. Für ein Dutzend endete die Aktion in der Arrestzelle. „Wir werden nicht zögern, gegen Individuen mit konterrevolutionärem Verhalten vorzugehen“, erklärte Irans Polizeichef.

Im moderaten Lager, das hinter den Kulissen von den Alt-Präsidenten Khatami und Rafsandjani gesteuert wird, denkt man darüber nach, durch Verzicht eines der beiden gemäßigten Kandidaten die eigenen Chancen zu steigern. „Ich warte auf die Entscheidung und werde mich ihr beugen“, ließ Mohammad Reza Aref wissen, ehemaliger Vizepräsident Khatamis und deutlich blasser als Mitkonkurrent Rowhani. Im konservativen Lager dagegen könnten sich am Ende alle Kandidaten gegenseitig blockieren. Zuverlässige Meinungsumfragen gibt es nicht. Und so sehen die einen den gegenwärtigen Atomunterhändler Saeed Jalili vorne, andere Teherans Bürgermeister Bagher Qalibaf, wieder andere Ex-Außenminister Ali Akbar Velayati.

Entscheidend wird sein, wie sich das Volk am Wahltag verhält. Die Hälfte aller 50 Millionen Stimmbürger ist jünger als 35 Jahre, kennt die Revolution von 1979 nur aus Erzählungen. Und noch ist unklar, ob die Iraner nach den Massenunruhen und Schauprozessen von 2009 die diesjährige Kandidatenfarce boykottieren oder sie trotz allem mit einer akzeptablen Wahlbeteiligung legitimieren. „Wir hatten acht Jahre Rafsandjani und acht Jahre Khatami – und was hat es uns gebracht? Alles ist viel schlimmer als zuvor“, klagte dieser Tage eine junge Iranerin, die nicht mit Namen genannt werden will.

 
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