Es ist ein Relikt aus Bonner Zeiten, das in der modernen Berliner Medienwelt weiterlebt. Vor jeder Kabinettssitzung machen Fotografen und Kameraleute zum Auftakt Aufnahmen von den Regierungsmitgliedern. So auch am Mittwoch im Kanzleramt. Wo es passierte, dass ein Journalist den Stuhl von Bundesinnenminister Horst Seehofer blockierte und dann, als er Platz machen wollte, vom CSU-Minister freundschaftlich gelassen mit den Worten bedacht wurde: „Machen Sie mal erst Ihre Arbeit fertig“. Interessant an dieser Anekdote ist, dass dieser Satz für Seehofer selbst nicht mehr gelten soll.
Ausgerechnet sein Nachfolger als Parteivorsitzender und bayerischer Ministerpräsident sägt an Seehofers Kabinettsstuhl. Markus Söder hat mit seinen Forderungen nach einer Verjüngung des Kabinetts eine Debatte angestoßen, die vor der CSU-Landesgruppenklausur in Kloster Seeon medialen Wirbel verursachte, sich in Berlin aber bei weitem nicht zu einem Sturm ausgewachsen hat.
Lebhafte Debatte über das Alter von Ministern
Über das Alter von Kabinettsmitgliedern und ihre Befähigung zum Amt wurde in den Parteien schon immer gerne diskutiert. Eine lebhafte Debatte gab es etwa um Wolfgang Schäuble während seiner letzten Jahre als Bundesfinanzminister im Kabinett Merkel. Der CDU-Politiker, Jahrgang 1942, musste sich gefallen lassen, dass seine Tauglichkeit in Frage gestellt wurde. Dabei erledigte er seine Arbeit mit einer Hingabe, von der etwa seine europäischen Amtskollegen heute noch schwärmen. Wenn es Kritik gab, dann allenfalls an Schäubles Übereifer.
Nun also Seehofer, den Söder ganz offensichtlich meint, wenn er von einer „Verjüngung“ spricht. In der CSU hatten sie schon letzten Juli gehofft, dass sich „der Horst“ zu seinem 70. Geburtstag von der politischen Bühne verabschiedet. Seehofer machte bekanntlich weiter.
Söder bringt seine Truppen in Stellung
Es sind die Jungen, die mit den Füßen scharren und an Söders Vorstoß wohl nicht ganz unschuldig sind. Der CSU-Chef ist gerade 53 Jahre alt geworden, da zählt er selbst noch zu diesem Kreis, vor allem aber stellt er jetzt schon die Figuren fürs Kanzler-Schach auf. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (57) hat derzeit wenig Chancen, Kanzlerin Angela Merkel beerben zu dürfen. Nicht umsonst wich sie einer konkreten Antwort auf die Frage nach einer Kabinettsverjüngung aus, sprach lediglich von einer „Möglichkeit“. AKK wäre zwar nominell befugt, neue Kabinettsmitglieder vorzuschlagen, faktisch fehlt ihr dazu im Moment jedoch die Hausmacht. Söder weiß natürlich um dieses Vakuum und nutzt es gerade aus, um seine Truppen in Stellung zu bringen und am Ende womöglich selbst Kanzlerkandidat zu werden. Dass er Seehofer in Frage stellt, heißt nicht automatisch, dass die CSU weiterhin das Innenministerium für sich beansprucht. Ohnehin würde er, auch das hat Söder schon mehrfach durchblicken lassen, auch noch andere Kabinettsmitglieder in seine Verjüngungskur einbeziehen. Verkehrsminister Andreas Scheuer beispielsweise, der zwar selber noch jung an Jahren ist, aber alt aussieht, was den Rückhalt in den eigenen Reihen angeht.
Potentielle Nachrücker
Nachrücker für verschiedene Kabinettsposten gäbe es bei der CSU einige. Den parlamentarischen Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, etwa. Der Erlanger ist Jahrgang 1975, seit 2002 im Bundestag, bestens vernetzt und ein fleißiger Arbeiter. Attribute sind das, wie sie auch auf einen weiteren Nachrück-Kandidaten zutreffen: Thomas Silberhorn, Jahrgang 1968, Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Oder auch auf Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung, 1978 in Bamberg geboren.
Mit seinen Äußerungen hatte Söder offenbar auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Blick. Dessen Hingabe fürs Amt übertrifft die Anerkennung, die er dafür erfährt, ums Vielfache. Altmaier (CDU) wird in den eigenen Reihen sowie in der Wirtschaft für eine ineffektive Arbeit kritisiert. Als möglicher Nachfolger wird unter anderem der CDU-Abgeordnete Carsten Linnemann gehandelt, Jahrgang 1975 und Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion.
Kanzlerin bleibt gelassen
Das letzte Wort bei einer Kabinettsumbildung hätte aber die Kanzlerin. Söder und Kramp-Karrenbauer wissen das, sie wissen vor allem auch, dass sie keinerlei Druck auf Merkel ausüben können. Sie ist nicht mehr Parteivorsitzende, es ist ihre letzte Amtszeit als Kanzlerin und sie legt angesichts immer mal wiederkehrender Debatten um eine Kabinettsumbildung ihre Hände gelassen zur Raute zusammen. „Die Bundeskanzlerin arbeitet mit allen Ministerinnen, mit allen Ministern gut und gerne zusammen“, erklärte ihr Sprecher Steffen Seibert. Was heißen sollte: Mit den amtierenden Ministern und gegebenenfalls auch mit denen, die ihnen nachfolgen.