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BERLIN
Maaßen muss endgültig gehen
Hans-Georg Maaßen       -  Hans-Georg Maaßen wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Foto: Michael Kappeler, dpa | Hans-Georg Maaßen wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 02.04.2019 13:07 Uhr

Hans-Georg Maaßen hat für seine Abrechnung mit Teilen der Bundesregierung und der Medien ein Forum gewählt, das so geheim ist wie kaum ein anderes auf der Welt. Und doch wird der scheidende Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz genau gewusst haben, dass ihm gerade dadurch die größtmögliche Aufmerksamkeit zuteilwerden würde. Nachdem der Streit über seine umstrittenen Äußerungen zu den Ausschreitungen in Chemnitz die Bundesregierung im Spätsommer an den Rand des Scheiterns gebracht hatte, schien die „Causa Maaßen“ zunächst beendet. Maaßen sollte als Abteilungsleiter ins Innenministerium wechseln, mit den gleichen Bezügen wie als Geheimdienstchef.

Provokante Abschiedsrede

Daraus wird nun nichts: Nach Maaßens Provokation riss Innenminister Horst Seehofer der Geduldsfaden. Maaßen wird sofort von seinen Aufgaben freigestellt, verkündete Seehofer am Montag. Grund sei die Rede Maaßens im sogenannten Berner Club, dem die Chefs der Inlandsgeheimdienste der 28 EU-Länder sowie Norwegens und der Schweiz angehören. Die Runde trifft sich zweimal im Jahr zum Meinungsaustausch. Es werden keine Beschlüsse gefasst, es gibt kein Sekretariat, nichts soll aus den Sitzungen nach außen dringen. Klar ist aber, dass die Geheimdienstchefs anschließend ihren Regierungen Bericht erstatten. So drang dann über Spitzenpolitiker aus befreundeten Staaten an Horst Seehofers Ohr, was sein Mitarbeiter beim Treffen am 18. Oktober in Warschau zu sagen hatte. Maaßen verabschiedete sich von seinen Kollegen – und stellte sich in seiner Rede als Opfer einer Verschwörung „linksradikaler Kräfte in der Bundesregierung“ dar. Das Manuskript der Rede, so bestätigt ein Sprecher des Innenministeriums, war dann ab dem 24. Oktober auch im Intranet des Bundesamts für Verfassungsschutz zu lesen. Jeder der mehr als 3000 Mitarbeiter der Behörde konnte das Dokument sehen – und trotz der Verschwiegenheitspflichten dauerte es nicht lange, bis die Inhalte nach draußen drangen und ihren Weg zu den Medien fanden.

In seiner Rede erhebt Maaßen schwere Vorwürfe. Seine Äußerungen zu den Vorfällen in Chemnitz waren nach seiner Darstellung „für linksradikale Kräfte in der SPD, die von vorneherein dagegen waren, eine Koalition mit der CDU/CSU einzugehen, der willkommene Anlass, um einen Bruch dieser Regierungskoalition zu provozieren“. Im Maaßen-Manuskript heißt es weiter: „Da ich in Deutschland als Kritiker einer idealistischen, naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik bekannt bin, war dies für meine politischen Gegner und für einige Medien auch ein Anlass, um mich aus meinem Amt zu drängen.“

Verteidigt hat Maaßen in seiner brisanten Abschiedsrede auch seine Äußerungen zu Chemnitz, die am Beginn der ganzen Affäre standen. Ende August war es im sächsischen Chemnitz zu Protesten und rassistisch motivierten Übergriffen gekommen, nachdem ein Mann bei einem Stadtfest erstochen worden war. Bei den mutmaßlichen Tätern handelt es sich um Asylbewerber. Aussagen in einem Interview, das Maaßen damals der „Bild“-Zeitung gab, wurden als Relativierung und Verharmlosung der Chemnitzer Ausschreitungen scharf kritisiert. Maaßen hatte etwa Zweifel an der Authentizität von Videoaufnahmen geäußert, die einen Angriff auf Ausländer zeigen sollen. Insbesondere bestritt Maaßen, dass es in Chemnitz zu „Hetzjagden“ gekommen sei – genau diesen Begriff hatte kurz zuvor Bundeskanzlerin Angela Merkel verwendet. „Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab, dass es Zusammenrottungen gab, dass es Hass auf der Straße gab, und das hat mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun“, so Merkel.

Seehofer will Sacharbeit

Im Gegensatz zu Äußerungen im Innenausschuss, in denen Maaßen das Interview bedauerte, hat er in seiner Abschiedsrede seine umstrittenen Aussagen bekräftigt: „Am folgenden Tag und an den darauffolgenden Tagen stand nicht das Tötungsdelikt im politischen und medialen Interesse, sondern rechtsextremistische ,Hetzjagden gegen Ausländer‘. Diese ,Hetzjagden‘ hatten nach Erkenntnissen der lokalen Polizei, der Staatsanwaltschaft, der Lokalpresse, des Ministerpräsidenten des Landes und meiner Mitarbeiter nicht stattgefunden. Sie waren frei erfunden.“

Innenminister Horst Seehofer nannte Maaßens Aussagen am Montag „inakzeptabel“ und die Versetzung des Beamten in den einstweiligen Ruhestand „ein Signal für eine Rückkehr zu einer sachorientierten Zusammenarbeit in der Bundesregierung“. Maaßens Stellvertreter Thomas Haldenwang soll vorerst die Behördenleitung übernehmen.

Der 55-Jährige Maaßen hat Anspruch auf ein Ruhegehalt. Für mindestens drei Monate wird ihm laut Beamtenbund zunächst sein Gehalt weiter ausgezahlt. Laut Beamtenversorgungsgesetz erhält Maaßen für maximal drei Jahre 71,75 Prozent seines aktuellen Gehalts von rund 11 500 Euro im Monat. Danach orientieren sich die Versorgungsansprüche an den Dienstjahren.

Mit Informationen von dpa

 
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