Hat Generalbundesanwalt Harald Range noch das Vertrauen der Bundesregierung? Christiane Wirtz, die stellvertretende Regierungssprecherin, schaut etwas hilflos in die Runde und verweist dann an das Justizministerium. Doch auch dort will an diesem Montag niemand diese einfache Frage mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Nach einem turbulenten Wochenende, an dem sich der Verfassungsschutz und die Bundesanwaltschaft gegenseitig für das Durcheinander bei den Ermittlungen wegen Landesverrats gegen zwei Blogger verantwortlich gemacht haben, steht Range mit dem Rücken zur Wand. Sein Verhalten, sagt SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel, sei „weder verhältnismäßig noch nachvollziehbar“.
Obwohl sich das politische Berlin fraktionsübergreifend einig ist, dass die Blogger Markus Beckedahl und René Meister keine Landesverräter sind, kommt die Aufarbeitung des Falles nur schleppend voran. Klar ist bisher nur: Hans-Georg Maaßen, der Chef des Verfassungsschutzes, hat seine beiden Anzeigen „gegen unbekannt“ gestellt, weil er sich vor allem für deren Informanten interessiert und weniger für die Blogger selbst und ihr Portal netzpolitik.org.
Range hat dann Ermittlungen gegen beide aufgenommen und beruft sich dabei auf ein „ausführliches Rechtsgutachten“ des Verfassungsschutzes, in dem explizit vom Verrat von Staatsgeheimnissen die Rede ist und nicht „nur“ von Dienstgeheimnissen. Von wem der entscheidende Impuls kam, Beckedahl und Meister direkt ins Visier zu nehmen, bleibt damit unklar.
Den Vorwurf, er gehe ohne Grund gegen Journalisten vor, weist Range zurück. Bereits bei der Einleitung des Ermittlungsverfahrens, behauptet der Generalbundesanwalt in einer kurzen Mitteilung, habe er seine Beamten angewiesen, gegen die beiden Journalisten keine Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen oder Beschlagnahmungen zu ergreifen.
„Zur Wahrung der Objektivität“ habe er vielmehr am 19. Juni noch ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Es soll klären, ob durch die Veröffentlichung von zwei internen Dokumenten des Verfassungsschutzes im Februar und im April tatsächlich ein Staatsgeheimnis verletzt wurde. Bis diese Expertise vorliegt, will Justizminister Heiko Maas (SPD) allerdings nicht mehr warten. Er drängt auf eine möglichst schnelle Einstellung des Verfahrens. Schon am Donnerstag soll ein eigenes Gutachten aus seinem Haus vorliegen, das zu dem Ergebnis kommt, dass es sich bei den von netzpolitik.
org veröffentlichten Papieren über den Aufbau einer neuen Einheit zur Überwachung des Internetverkehrs nicht um Landesverrat handelt.
Während Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) ausrichten lässt, er habe am Vorgehen des in seiner Zuständigkeit arbeitenden Verfassungsschützers Maaßen „nichts zu beanstanden“, verkneift sich Maas jedes Wort zugunsten von Range und lässt die diversen Rücktrittsforderungen unkommentiert. Der Generalbundesanwalt, betont ein Ministeriumssprecher lapidar, handle eigenverantwortlich – ein Weisungsrecht habe der Justizminister nur in Fällen, in denen die Bundesanwaltschaft gegen geltendes Recht verstößt. Ob Maas Range tatsächlich schon früh vor Ermittlungen gegen Journalisten gewarnt hat, ist allerdings unklar. Ein entsprechender Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ wird in Karlsruher Justizkreisen jedenfalls nicht bestätigt.
Nachdem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Urlaub ihre Unterstützung für den Kurs von Maas und eine zügige Schadensbegrenzung hat erkennen lassen, dürfte das Verfahren vermutlich bald eingestellt werden. Für die Suche nach ihren Informanten gilt das nicht: Nach Auskunft des Innenministeriums hatte eine dreistellige Zahl von Beamten, Abgeordneten und anderweitig Involvierten Zugriff auf die Papiere.