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Paris/Lyon
Lyoner Erzbischof zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt
Kardinal Philippe Barbarin wurde für schuldig befunden, einen bekanntermaßen pädophilen Priester lange gedeckt und im Kontakt mit Kindern belassen zu haben.
Birgit Holzer
 |  aktualisiert: 16.03.2019 02:11 Uhr

Es ist eine Entscheidung, die Frankreichs katholische Kirche erschüttert: Ein Gericht in Lyon verurteilte am gestrigen Donnerstag einen ihrer einflussreichsten Vertreter, Kardinal Philippe Barbarin, zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe. Demnach hat er sexuellen Missbrauch an Pfadfindern durch einen pädophilen Priester im Erzbistum Lyon, dem er seit 2002 als Erzbischof vorsteht, vertuscht. Seine fünf Mitangeklagten wurden freigesprochen. Das Gericht folgte mit dem Urteil nicht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Freisprüche wegen Verjährung gefordert hatte. Barbarin kündigte noch gestern an, den Papst um seine Entlassung zu bitten. „Unabhängig von meinem persönlichen Schicksal möchte ich erneut mein ganzes Mitgefühl gegenüber den Opfern ausdrücken“, sagte der 68-Jährige in einer Pressekonferenz. Bereits 2001 und 2018 waren französische Bischöfe wegen ähnlich gelagerter Vorfälle zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.

Starkes Signal an Opfer

Die neun Zivilkläger, die der Opfer-Vereinigung „La Parole libérée“ („Das befreite Wort“) angehören, reagierten erleichtert. „Dieser Sieg ist ein sehr starkes Signal an viele Opfer und ermöglicht es ihnen zu sehen, dass man sie anhört und anerkennt“, sagte einer der Mitbegründer, François Devaux. Die Verteidiger des Verurteilten kündigten hingegen an, in Berufung zu gehen. „Ist Kardinal Barbarin im eigenen Namen hier oder verkörpert er die Kirche und eine gesellschaftliche Frage?“, fragte sein Anwalt Jean-Félix Luciani während des Prozesses. Demgegenüber sagte Devaux, es gehe nicht um einen Kampf gegen Barbarin persönlich, sondern darum, dass die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche vor einem Gericht aufgearbeitet werden: „Der Papst übernimmt seine Verantwortung nicht, die Nulltoleranz anzuwenden, die er seit Jahren predigt.“

Während der Verhandlung hatte Barbarin gesagt, er „sehe nicht, wessen ich mich schuldig gemacht habe“. Er soll jedoch wie schon seine Vorgänger den Priester Bernard Preynat vor jeglichen Konsequenzen geschützt haben, der sich in den 70er und 80er Jahren an mindestens 80 Pfadfindern vergangen hat, sie bedrängte und vergewaltigte. Zudem beließ er ihn auf einem Posten, auf dem er mit Kindern in Kontakt war. Ein Prozess gegen den 72-jährigen Preynat steht noch aus. Bis zuletzt gab es verschiedene Darstellungen darüber, ab wann Barbarin von dessen Taten gewusst hat: Laut mehreren Zeugenaussagen musste das bereits 2010 oder früher der Fall gewesen sein, als er Preynat zum Gespräch über die kursierenden „Gerüchte“ über ihn einbestellte. Barbarin selbst hingegen gab an, erst 2014 von den früheren Übergriffen erfahren zu haben. Preynat habe ihm daraufhin versichert, sich seit 1991 nicht mehr an Jungen vergangen zu haben.

Versetzung gefordert

Damals kontaktierte Alexandre Hezez, eines seiner ehemaligen Opfer, den Erzbischof, nachdem er entdeckt hatte, dass sein einstiger Peiniger immer noch mit Kindern arbeitete, und forderte dessen Versetzung. An die Justiz wandte er sich erst, als die Kirchenvertreter über ein Jahr lang nichts unternahmen. Die Geschichte von ihm und anderen Betroffenen zeichnet der Regisseur François Ozon in dem bei der Berlinale ausgezeichneten Film „Gelobt sei Gott“ nach, der seit Mitte Februar in den französischen Kinos läuft. Er erzählt darin die unterschiedlichen Arten mehrerer Opfer mit den traumatischen Erlebnissen ihrer Kindheit umzugehen. Vergeblich hatte die Kirche versucht, den Filmstart noch zu stoppen.

 
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