Zwar debattierte die französische Nationalversammlung am Dienstag über eine mögliche Beteiligung an Luftangriffen gegen Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien. Doch ein Votum fand nicht statt – die Entscheidung liegt beim Präsidenten als dem obersten Befehlshaber der französischen Armee. Und François Hollande hat sie getroffen. In der vergangenen Woche hätten Aufklärungsflüge begonnen, um herauszufinden, ob Luftschläge notwendig sind, sagte er am Montag. „Und sie werden in Syrien notwendig sein.“ Das Parlament muss er lediglich innerhalb von drei Tagen informieren. Ohnehin steht es überwiegend hinter dem Beschluss.
Er stellt einen Strategiewechsel in der französischen Außen- und Sicherheitspolitik dar. Paris beteiligt sich seit einem Jahr an von den USA geführten Luftoperationen über dem Irak und flog dort rund 200 Angriffe auf IS-Stellungen. Bislang waren Bombardements auf Syrien aber wegen der Sorge tabu, den dortigen Machthaber Baschar al-Assad zu stärken. Nach dem Vorwurf, dieser habe im Sommer 2013 chemische Waffen gegen die Rebellen im Land und sein eigenes Volk eingesetzt, drängte Hollande auf Angriffe gegen das syrische Regime.
Schon damals debattierte die Nationalversammlung über diese Option. Doch es fehlte an internationalen Partnern, da Großbritannien und vor allem die USA nicht mitzogen.
Aber nun hat Hollande versichert, Assads Absetzung sei nur eine Frage der Zeit, um einen „Zusammenschluss der Syrer auf einer demokratischen Basis zu ermöglichen“. Dennoch gilt der IS fortan als Zielscheibe Nummer eins. Frankreichs Präsident erklärt dies mit der direkten Gefahr für sein Land, die von Syrien ausgehe. Laut Informationen der Geheimdienste liefen dort Vorbereitungen für Terrorakte gegen Frankreich. Hunderte junge Franzosen haben sich dem IS angeschlossen.
Verbindungen nach Syrien hatten auch die Urheber der islamistischen Attentate vom Januar gegen das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt, sowie der junge Marokkaner, dessen geplante Attacke in einem Thalys-Schnellzug von Amsterdam nach Paris verhindert werden konnte. Die Regierung will zeigen, dass sie der Bedrohung entgegentritt.
„Wir können uns nicht mehr erlauben, dass Syrien als hauptsächliches Nest des IS ein toter Winkel unserer Aktion bleibt“, erklärte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian. Experten schätzen die Auswirkungen des französischen Beitrags als relativ gering ein, zumal die Zahl der Mittel und Soldaten nicht erhöht wird. Symbolisch wiegt er aber.
Eine andere Begründung für den Umschwung sind die Flüchtlingsströme nach Europa, von denen Frankreich zwar weniger betroffen ist als der deutsche Nachbar und lediglich 20 000 Asylbewerber in zwei Jahren aufnehmen will. Doch hat Hollande angekündigt, das Problem „an der Wurzel“ bekämpfen zu wollen und angeboten, im Herbst eine internationale Flüchtlingskonferenz in Paris zu organisieren.
Die Bevölkerung ist gespalten gegenüber der Aufnahme von Flüchtlingen, befürwortet aber eine militärische Antwort. 61 Prozent sprechen sich sogar für französische Bodentruppen in Syrien aus. Vereinzelt ruft auch die konservative Opposition danach. Das wiederum hat Hollande als „unrealistisch“ abgelehnt. Und er hat das Sagen.