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Liebermann in Gurlitts Geisterhaus
Kunstsammlung Eine neue Etappe im scheinbar endlosen Fall Cornelius Gurlitt: Der betagte Kunstsammler will Bilder an die Erben jüdischer Vorbesitzer zurückgeben.
Salzburger Kunstfund: Die „Badeszene“ von Max Liebermann ist ein Bild von insgesamt 238 Werken, die Cornelius Gurlitt in seinem österreichischen Domizil aufbewahrt hat. Die Sammlung ist wesentlich umfangreicher als bislang bekannt.
Foto: SZ-Photo, Private Sammlung Cornelius Gurlitt, Salzburg, Häntzschel | Salzburger Kunstfund: Die „Badeszene“ von Max Liebermann ist ein Bild von insgesamt 238 Werken, die Cornelius Gurlitt in seinem österreichischen Domizil aufbewahrt hat.
reda
 |  aktualisiert: 13.01.2016 11:08 Uhr

Seit Monaten kommt der Fall Cornelius Gurlitt mit all seinen Wendungen nicht aus den Schlagzeilen – jetzt aber gibt es so etwas wie einen Durchbruch: Wohl schon in der kommenden Woche soll ein Bild, das einst von den Nazis geraubt wurde und später in die Sammlung Gurlitt gelangte, zu seinen rechtmäßigen Besitzern zurückkehren. Die Rede ist von Henri Matisses „Sitzender Frau“, die dem Fall Gurlitt gewissermaßen von Anfang an ein Gesicht gab. Das Bild, das Matisse um das Jahr 1924 herum gemalt hat, zeigt eine dunkelhaarige Frau mit einem geblümten Kleid mit Perlenkette. Sie trägt ein Kopftuch und hat die Hände, in denen sie einen Fächer hält, in den Schoß gelegt.

Das Werk wurde dem jüdischen Kunsthändler Paul Rosenberg von den Nazis geraubt. Zeitweise befand sich das Bild im Besitz von Hermann Göring, bevor es später – über Umwege – in die Sammlung Gurlitt gelangte.

Nach jahrzehntelangem Kampf können Rosenbergs Enkelinnen Marianne Rosenberg, eine New Yorker Anwältin, und Anne Sinclair, die Ex-Frau von Dominique Strauss-Kahn, nun darauf hoffen, das Bild, das ihrem Großvater geraubt wurde, wieder in Empfang zu nehmen. Eigentlich sei alles geklärt, sagt Gurlitts Sprecher Stephan Holzinger. Es gehe nur noch um die formelle Einigung, die in der nächsten Woche wohl medienwirksam über die Bühne gebracht werden soll.

Dies ist der Höhepunkt einer Entwicklung, in der die Anwälte von Cornelius Gurlitt anscheinend die Regie übernommen haben. Seit der schwer kranke 81-Jährige, der seit Monaten im Krankenhaus liegt, unter Betreuung gestellt wurde, ist Tempo in den Fall gekommen, der die Kunstwelt seit November 2013 in Atem hält.

Mit der Ankündigung, eine Einigung mit den Rosenberg-Erben stehe kurz bevor, ignorieren Gurlitt und sein Team nicht nur die eigens eingesetzte Berliner Taskforce, die die Herkunft der Bilder klären soll. „Nein“ sagt Sprecher Holzinger schlicht auf die Frage, ob es eine Zusammenarbeit mit dem Expertenteam von Ingeborg Berggreen-Merkel gibt. Die Anwälte setzen auch die Augsburger Staatsanwaltschaft unter Druck, die Gurlitts Sammlung 2012 – aus Sicht der Gurlitt-Anwälte völlig zu Unrecht – wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung und Vermögensdelikte beschlagnahmte.

Diese kündigte am Donnerstag an, einer Rückgabe an die Erben keinesfalls im Weg stehen zu wollen. „Die Staatsanwaltschaft wird, wenn eine entsprechende Vereinbarung vorgelegt wird, und der Betreuer des Beschuldigten mitteilt, dass aufgrund dessen das Bild herausgegeben werden darf, dies gerne tun“, sagt Staatsanwaltschaftssprecher Matthias Nickolai. Bislang hatte die Staatsanwaltschaft die Herausgabe der Bilder, die unter Raubkunst-Verdacht stehen, abgelehnt. Bilder, die Gurlitt zweifelsfrei gehören, sollen ihm allerdings schon seit geraumer Zeit zurückgegeben werden.

Die Taskforce zu Aufklärung des spektakulären Münchner Kunstfunds hat die Absicht des Sammlers Cornelius Gurlitt begrüßt, NS-Raubkunst an die jüdischen Erben zurückzuerstatten. „Die aktuellen Ereignisse sehe ich im Sinne einer gerechten und fairen Lösung sehr positiv“, sagte die Vorsitzende Ingeborg Berggreen-Merkel am Donnerstag. „Die Möglichkeit, einvernehmliche Lösungen zwischen allen Beteiligten anzustreben, begrüße ich sehr.“

Gurlitts Ankündigung der Rückgabe kommt sicherlich nicht zufällig zu einer Zeit, in der noch eine andere Entwicklung im Fall Schlagzeilen macht: Einmal mehr stellt sich nämlich heraus, dass seine Sammlung weit größer und wertvoller ist als bislang angenommen. „Picasso im Geisterhaus“ titelten einige Medien, als im Februar bekannt wurde, dass Gurlitt auch in seinem Salzburger Haus zahlreiche wertvolle Kunstwerke gehortet hatte. Eine Sensation. Jetzt ist aber klar: Die Sensation ist noch größer und der Fund von damals nur die Spitze des Eisbergs. Bei der Entrümpelung am 24. und 28. Februar stieß das Beraterteam um den kranken alten Mann „in einem zuvor nicht zugänglichen Teil des alten Hauses“ ein weiteres Mal auf einen bislang unbekannten Teil seiner Kunstsammlung. 238 Werke zählten sie insgesamt.

„Wir haben Werke, die unbeschädigt sind, und Werke, die der Restaurierung bedürfen“, sagt Gurlitts Sprecher Stephan Holzinger am Donnerstag. Diese Werke, die er da nennt, sind Ölgemälde und Aquarelle von Monet oder Renoir, Manet oder Gauguin, Liebermann, Cézanne und Nolde, sowie Zeichnungen von Picasso und Munch. Gustave Courbets „Porträt von Monsieur Jean Journet“ aus dem Jahr 1850 lag unbemerkt in dem heruntergekommen wirkenden Anwesen herum, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, die einen Blick in das neue geheime Depot in Österreich werfen durfte. Außerdem Max Liebermanns „Badeszene“ und Claude Monets „Waterloobridge, en temps gris“. Was die 238 Werke wert sind, darüber will Holzinger nicht spekulieren.

Die ermittelnde Augsburger Staatsanwaltschaft hat auf die Bilder, die nun an einem geheimen Ort verwahrt und restauriert werden, keinen Zugriff. Die österreichischen Behörden haben Amtshilfe verweigert.

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