Gerade nahm er an einer Konferenz in Dubai zum Thema Bildung teil, demnächst steht eine Rede in London an. Nun kam Nicolas Sarkozy ein Termin dazwischen, der weniger angenehm und schon gar nicht gut dotiert war: Am Dienstag wurde er für ein Verhör bei der Kriminalpolizei in Nanterre bei Paris in Polizeigewahrsam genommen. Bis zu 48 Stunden kann er festgehalten werden.
Auf dem ehemaligen französischen Präsidenten lastet der Verdacht, er habe seine Wahlkampagne 2007 vom einstigen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi mitfinanzieren lassen. Also von dem Mann, den Sarkozy nach seinem Wahlsieg in großem Pomp in Paris empfing, wo Gaddafi mit seinem Hofstaat anreiste und tagelang sein Beduinenzelt aufschlug – und gegen dessen Regime Frankreich im März 2011 die Nato-Luftangriffe vorantrieb, in deren Folge der libysche Revolutionsführer gestürzt und getötet wurde. Das zunächst gute Verhältnis der beiden Männer hatte sich in der Zwischenzeit abgekühlt, vor allem seit Gaddafi die Demonstrationen im Zuge des „Arabischen Frühlings“ brutal niederschlagen ließ.
Es geht um 50 Millionen Euro
Ermittlungen über die möglichen Geldflüsse von Libyen in Sarkozys Wahlkampfkasse laufen bereits seit Jahren. Im Frühjahr 2012 und damit kurz vor der Präsidentschaftswahl, bei der der konservative Amtsinhaber gegen seinen Herausforderer François Hollande verlor, veröffentlichte das investigative Online-Portal „Mediapart“ Dokumente, die diesen Verdacht bestärkten.
Demnach soll Sarkozy mindestens 50 Millionen Euro an illegaler Wahlkampfunterstützung aus Libyen erhalten haben. Der franko-libysche Geschäfts- und Mittelsmann Ziad Takieddine, der inzwischen mit dem Ex-Präsidenten gebrochen hat und selbst in einem Korruptionsverfahren steckt, sagte aus, er habe zwischen Ende 2006 und Anfang 2007 fünf Millionen Euro an Bargeld von Tripolis nach Paris transportiert. 2011 forderte Gaddafis Sohn Saif al-Islam al-Gaddafi Sarkozy im Sender Euronews zu einer Rückgabe des Geldes auf: „Wir haben seine Kampagne finanziert und wir haben den Beweis dafür. Wir haben ihm eine Hilfe zukommen lassen, damit er sich für das libysche Volk einsetzt, aber er hat uns enttäuscht.“ Mehrere hochrangige Persönlichkeiten aus dem früheren libyschen Regime, darunter der ehemalige Premierminister und der einstige Chef des libyschen Militärgeheimdienstes, haben dies Medienberichten zufolge bestätigt.
In einem Bericht der zentralen Behörde für den Kampf gegen Korruption wurde auf Basis von Zeugenaussagen nachvollzogen, wie ausufernd das Bargeld innerhalb von Sarkozys Wahlkampfteam geflossen sei. Sein Vertrauter und früherer Innenminister Claude Guéant ist in Erklärungsnot, weil ihm eine halbe Million Euro von einem malaysischen Konto überwiesen wurde, das einem saudischen Milliardär gehörte.
Gegen mehrere weitere Personen und Sarkozy-Vertraute, die in die Affäre verwickelt sein sollen, laufen Ermittlungsverfahren. Der Ex-Präsident selbst hat die Anschuldigungen stets als falsch, ja als „grotesk“ zurückgewiesen. „Es ist eine Schande, dass es Journalisten gibt, die es wagen, dem Sohn und den Geheimdiensten von Herrn Gaddafi Glauben zu schenken“, empörte er sich 2012 im Fernsehen.
Zunehmend in Bedrängnis
Seine Justiz-Affären bringen den 63-Jährigen zunehmend in Bedrängnis: Weil die Kosten für seine Wahlkampagne 2017 die erlaubte Budgetobergrenze von 22,5 Millionen Euro massiv überstiegen und durch ein System falscher Rechnungen verschleiert wurden, droht ihm ein Prozess. Ebenso sollen er und sein Anwalt einem hohen Justizbeamten eine Beförderung versprochen haben – im Gegenzug wollte Sarkozy Informationen über Ermittlungen in der Frage, ob die inzwischen verstorbene L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt seinen Wahlkampf 2007 ebenfalls gesponsert habe.
Sarkozy ist nicht der einzige französische Politiker, der ins Visier der Justiz gerät: Sein Vorgänger Jacques Chirac wurde wegen eines Systems der fiktiven Stellen im Rathaus von Paris, das er zu seiner Zeit als Bürgermeister geschaffen hatte, zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der ehemalige Finanzminister und Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, stolperte über Vergewaltigungsvorwürfe und seine Teilnahme an Sex-Partys. François Fillon, ehemaliger Premierminister unter Sarkozy, scheiterte als konservativer Präsidentschaftskandidat, weil er seine Frau und seine Kinder für hohe Summen als parlamentarische Mitarbeiter angestellt hat, ohne Beweise für deren tatsächliche Arbeit liefern zu können.