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TRIPOLIS
Libyens Premier entführt
Von unserem Korrespondenten Martin Gehlen
 |  aktualisiert: 10.10.2013 19:33 Uhr

Acht Stunden dauerte der Alptraum, dann war Libyens Ministerpräsident Ali Zeidan wieder frei. Um drei Uhr früh hatten ihn bewaffnete Kidnapper aus seinem Bett im Luxushotel Corinthia in Tripolis geholt. Ein Foto im Morgengrauen zeigte ihn mit offenem Hemd und wütendem Gesicht, eng umringt von unbekannten Männern in Zivil. Auf den Hotelfluren hatten sich diese gegenüber Zeidans Leibwächtern als Zielfahnder des Justizministeriums ausgegeben.

Nach seiner Freilassung am Mittag gab sich Libyens Regierungschef ungebrochen. Er werde der Gewalt nicht weichen. „Wenn es das Ziel dieser Entführung war, mich zum Rücktritt zu bewegen, dann kann ich nur sagen, ich werde nicht zurücktreten“, twitterte der 63-Jährige. Seine spektakuläre Odyssee jedoch wirft erneut ein bezeichnendes Schlaglicht auf die zunehmend anarchischen Zustände in dem ölreichen Mittelmeer-Anrainer zwei Jahre nach dem gewaltsamen Sturz von Diktator Muammar Gaddafi, der das Land mehr als 40 Jahre regiert hatte.

Die Drangsalierung Zeidans steht offenbar im Zusammenhang mit einer spektakulären amerikanischen Kommandoaktion Ende letzter Woche in der libyschen Hauptstadt. US-Spezialkräfte lauerten dem angeblichen El-Kaida-Terroristen Abu Anas al-Libi vor seinem Wohnhaus auf, nahmen ihn fest und brachten ihn auf ein Kriegsschiff im Mittelmeer. Dem Verdächtigen wird vorgeworfen, einer der Drahtzieher bei den Attentaten 1998 auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia gewesen zu sein, die über 200 Menschen das Leben kosteten.

Sowohl der Allgemeine Nationalkongress (GNC), das im Juli 2012 gewählte Parlament, als auch die sogenannte „Operationszelle libyscher Revolutionäre“, die aus ehemaligen Rebellen besteht, übten scharfe Kritik an der Verschleppung Libis. Abgeordnete forderten den Rücktritt der Regierung, sollte sie von der US-Operation vorab gewusst haben. Die Rebellen dagegen bezichtigten Zeidan unumwunden als Komplizen Washingtons. Sie erklärten, man habe ihn deswegen auf Anordnung des Generalstaatsanwalts verhaftet, eine Darstellung, der das libysche Restkabinett am Vormittag nach einer Krisensitzung widersprach. Weder sei die Immunität von Zeidan aufgehoben, noch habe der Generalstaatsanwalt einen Haftbefehl erlassen, erklärte die Ministerrunde. US-Außenminister John Kerry allerdings hatte am Wochenende bestätigt, die libysche Führung sei über die geplante Aktion im Bilde gewesen.

Premierminister Zeidan, ein ehemaliger Menschenrechtsanwalt, steht seit einem Jahr an der Spitze der Regierung in Tripolis. Er wird politisch gestützt von einer fragilen Koalition aus Islamisten, alten Gaddafi-Getreuen und eingeschworenen Gaddafi-Oppositionellen.

 
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