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TRIPOLIS
Libyen versinkt im Chaos
Abgesetzt: Libyens Ex-Premierminister Ali Zeidan
Foto: Mahmud Turika, afp | Abgesetzt: Libyens Ex-Premierminister Ali Zeidan
reda
 |  aktualisiert: 12.03.2014 22:05 Uhr

Ein Unwetter kam dem Kapitän zu Hilfe, volle Kraft voraus befahl er in der brodelnden See seinem 37 000-Tonnen-Ungetüm. Die kleinen Patrouillenboote der libyschen Marine mussten abdrehen, weil sie sich nicht auf das offene Mittelmeer hinauswagten. Und die „Morning Glory“ unter nordkoreanischer Flagge rauschte mit ihren 230 000 Barrel illegal gebunkertem Rohöl davon – für Libyen eine gefährliche Premiere. Denn damit gelang es den Separatisten im Osten des Landes, der Cyrenaika, zum ersten Mal, das schwarze Gold auf eigene Rechnung zu verkaufen – ein spektakulärer Piratenakt, der ein weiteres Schlaglicht wirft auf die grassierende Anarchie in dem Post-Gaddafi-Staat.

Libyen gerät mehr und mehr ins Trudeln, der Regierung droht nun auch die Kontrolle über den Ölexport, der wichtigsten Einnahmequelle des Staates, zu entgleiten. Bereits Stunden nach der Tankerblamage setzte das empörte Parlament Premierminister Ali Zeidan per Misstrauensvotum ab.

Der Generalstaatsanwalt erließ Haftbefehl, in letzter Minute setzte sich Zeidan von Tripolis aus nach Deutschland ab, wo er nach Angaben von „Al Arabiya“ nach einem Zwischenstopp auf Malta in Düsseldorf landete. Daheim übernimmt für die nächsten beiden Wochen Verteidigungsminister Abdullah al-Thinni die Amtsgeschäfte, der das demütigende Küstendesaster mit zu verantworten hat. Wie es danach weitergeht, ist ungewiss.

Ölverladehäfen in Rebellenhand

Zugespitzt hatte sich der Konflikt letzte Woche, als der Frachter im von Rebellen kontrollierten Ölhafen Es Sider festmachte, obwohl Premier Ali Zeidan die libysche Marine angewiesen hatte, das Schiff nicht in den Hafen zu lassen. Man werde den Tanker zu Schrott schießen, falls er versuchen sollte, Rohöl zu laden, polterte Kulturminister Amin al-Habib im Staatsfernsehen – ebenfalls eine leere Drohung. „Alle haben gegen uns gearbeitet“, gab der gescheiterte Regierungschef kurz vor seinem Sturz zu Protokoll.

Seit Juli letzten Jahres befinden sich vier der wichtigsten Ölverladehäfen in der Hand der Rebellen – alle im Osten, wo der Großteil der libyschen Bodenschätze liegen. Das Exportvolumen ist seitdem von 1,5 Millionen auf unter 250 000 Barrel täglich gesunken, die Staatseinnahmen zu einem Rinnsal verkümmert.

Anführer der Separatisten ist der 33-jährige Ibrahim Jathran, der in der Nacht zu Mittwoch von Bord des entkommenen Tankers eine Fernseherklärung im Namen des „Politbüros der Cyrenaika“ abgab. Er und seine Gesinnungsgenossen fordern mehr Autonomie und einen größeren Anteil der Öleinnahmen für ihre jahrzehntelang vernachlässigte Region. Doch Jathran ist in der Bevölkerung umstritten. Die einen verehren ihn als Kämpfer gegen die Diskriminierung der Cyrenaika, die anderen verachten ihn als Warlord und Unruhestifter.

Die Vereinten Nationen zeichneten diese Woche ein düsteres Bild von den Zuständen in Libyen und nannten das Land „eine Drehscheibe illegaler Waffenlieferungen“ für die gesamte Region. Schultergestützte Raketen aus libyschen Beständen sind nach UN-Erkenntnissen inzwischen auch in Mali, Tschad und Tunesien aufgetaucht sowie im Libanon, von wo Rebellengruppen sie nach Syrien einzuschleusen versuchen.

In Libyen selbst sind Tausende dieser Geschosse, mit denen sich auch Verkehrsflugzeuge vom Himmel holen lassen, „in den Händen nicht-staatlicher Akteure, die gespannte oder überhaupt keine Beziehungen zum Staat haben“, heißt es in dem Bericht an den UN-Sicherheitsrat. Ähnlich düster äußerte sich auch Tarek Mitri, Chef der UN-Hilfsmission in Libyen (Unsmil), vor dem Weltgremium. Libyen habe während der letzten drei Monate „ein dramatisches Aufflammen“ von Verbrechen erlebt. „Das Risiko wächst, dass das Land in einen Zustand noch nie dagewesener Gewalt gerät.“

 
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