Kommende Woche sollen im italienischen Abgeordnetenhaus Debatte und Abstimmungen über das Haushaltsgesetz 2019 beginnen. Einen knappen Monat haben die Parlamentarier in Rom dann noch Zeit, um die Staatsausgaben im Detail zu definieren und ein von der EU-Kommission bereits empfohlenes Strafverfahren wegen Verstößen gegen den Europäischen Fiskalpakt zu vermeiden. Bis zum 31. Dezember muss das Gesetz verabschiedet sein.
In den vergangenen Tagen lenkte die Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega erstmals ein, zumindest verbal. „Es steht nicht in den zehn Geboten, dass wir eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent machen müssen“, sagte Vize-Ministerpräsident und Lega-Chef Matteo Salvini am Donnerstagabend.
Salvini soll zu weiteren Zugeständnissen bereit sein
Die Neuverschuldung, die in den Plänen der im Juni abgetretenen Vorgängerregierung um Zweidrittel niedriger hätte ausfallen sollen, ist der umstrittene Punkt in den Verhandlungen zwischen Rom und Brüssel. Bereits zuvor hatte Salvini angedeutet, dass er auch mit einer Neuverschuldung in Höhe von 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts einverstanden sei. Wie es aus Regierungskreisen in Rom heißt, sei Lega-Chef und Innenminister Salvini auch zu weiteren Zugeständnissen bereit, doch ist bei diesen Spekulationen auch Verhandlungstaktik im Spiel. Ginge es nach der rechten und traditionell unternehmerfreundlichen Lega, die ihre Stammwähler im wohlhabenden Norden des Landes hat, könnte der Schuldenstreit mit Brüssel möglicherweise beigelegt werden. Das Problem scheint dieser Tage der Koalitionspartner der Fünf-Sterne-Bewegung zu sein.
Deren Chef, Vizeministerpräsident und Arbeitsminister Luigi Di Maio, zeigte sich ebenfalls kooperativ. Das Problem seien nicht die Zahlen hinter dem Komma, sondern die Bürger. „Wir werden einen Kompromiss finden, ohne die Bürger zu verraten, die wollen, dass die Versprechen eingehalten werden“, fügte Di Maio hinzu. Damit bezog sich der Arbeitsminister insbesondere auf das von der Fünf-Sterne-Bewegung angekündigte Grundeinkommen für Arbeitslose. In einer ersten Tranche sollen im kommenden Jahr etwa 5,5 Millionen Italiener monatlich 780 Euro bekommen, dafür kalkuliert die Regierung Kosten in Höhe von neun Milliarden Euro.
Besorgt ist man in der EU-Kommission auch über den vor allem von der Lega verfolgten Plan, das Renteneintrittsalter im kommenden Jahr zu senken. Andere Länder könnten dem italienischen Beispiel folgen, fürchtet man in Brüssel - mit unkalkulierbaren Folgen für die Staatsausgaben.
Die Signale der Anleger sind nicht ohne Wirkung geblieben
Ob die Koalitionspartner in Rom auch zu konkreten Veränderungen im Haushaltsentwurf bereit sind, ist ungewiss. Über die Auslöser für das verbale Entgegenkommen gibt es wenig Zweifel. Seit Antritt der populistischen Regierung in Rom ist der Risikoaufschlag auf italienische Staatsanleihen, der sogenannte Spread, um 50 Punkte angestiegen, die Mailänder Börse hat seither 13 Prozent ihres Volumens eingebüßt. Die Signale der Anleger, aber auch die einheitliche Front der EU-Mitglieder gegenüber Italien im Schuldenstreit sind offenbar nicht ohne Wirkung geblieben. Nicht zuletzt fallen die Warnungen der internationalen Finanzorganisationen ins Gewicht. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für den Zeitraum 2018 bis 2020 für Italien ein Wachstum von 1,0 Prozent, die Regierung hingegen kalkuliert mit optimistischen 1,5 Prozent. Die US-Notenbank Federal Reserve nannte den Haushaltsstreit zwischen Italien und der EU als einen von fünf Gründen, der eine Krise befeuern könnte.
Für das Kalkül von Lega-Chef Salvini spielen insbesondere die norditalienischen Unternehmer eine Rolle. In Norditalien hat die frühere Lega Nord ihre Stammwähler, von denen viele den Kraftakt mit Brüssel als gefährliches Vabanque-Spiel sehen, mit dem letztendlich der eigenen Wirtschaft Schaden zugefügt wird. Der eigentliche Unsicherheitsfaktor im Streit mit Brüssel ist die Fünf-Sterne-Bewegung. Wie es heißt, gibt es in der Grillo-Bewegung die Überlegung, auf dem Crash-Kurs mit Brüssel zu beharren. Das Ziel wäre dann, die Regierung unter dem Vorwand des nicht realisierbaren Haushaltsgesetzes platzen zu lassen und im Wahlkampf alle Kräfte gegen die EU zu mobilisieren.