Wenn Sergio Mattarella am heutigen Dienstag als italienischer Staatspräsident vereidigt wird, muss sich der 73-Jährige letztendlich doch dem Protokoll beugen. Bei einer Parade mit offenem Oldtimer wird das neue Staatsoberhaupt an seinen Amtssitz auf dem Quirinals-Hügel geleitet. Die Italiener hingegen fanden in den zwei Tagen nach seiner Wahl vor allem an Mattarellas Understatement Gefallen. Der Jurist ließ sich im silbernen Fiat Panda chauffieren, lief zu Fuß zur Messe und beachtete auch das wegen Smog verhängte Fahrverbot am Sonntag in Rom. Seine ersten Worte im Amt waren den Bedürftigen gewidmet. Wer musste da nicht an die ersten Gesten denken, mit denen am anderen Tiber-Ufer Papst Franziskus nach seiner Wahl die Herzen erobert hatte?
Viele andere Parallelen gibt es nicht zu Franziskus. Der für sieben Jahre gewählte Staatspräsident ist in Italien ein Garant für Verfassung und Stabilität, mehr nicht. Bei Mattarella, der dem knapp 90-jährigen Ex-Kommunisten Giorgio Napolitano ins Amt folgt, handelt es sich in erster Linie um einen strenggläubigen Katholiken. Er machte in der heute nicht mehr existierenden christdemokratischen Partei (DC) Karriere, die Italiens Politik jahrzehntelang prägte und sich nach dem Korruptionsskandal 1994 auflöste. Mattarella zählte zu ihrem linken Flügel. Da auch Ministerpräsident Matteo Renzi seine politischen Anfänge in diesem Lager machte, ist nun die Rede von einer Renaissance der Christdemokratie in Italien.
Für Italien scheint eine längere Phase der Stabilität denkbar. Der 40 Jahre alte Ministerpräsident ist der unumstrittene Matador der politischen Szene in Rom. Die Wahl des Staatspräsidenten ist Renzis bisheriges machtpolitisches Meisterstück. Renzi war vor der Wahl ein großes Risiko gelaufen, zwischen die Mühlen zu geraten. Sogar ein vorzeitiges Ende der Legislaturperiode im Falle einer Blockade wie bei der Wahl des Staatspräsidenten 2013 war denkbar. Damals konnten sich die Parteien nicht auf einen Kandidaten einigen und stürzten die Institutionen ins Chaos. Renzi hingegen umschiffte alle Hindernisse geschickt. Mit der Kandidatur Mattarellas fing er sogar die Kritiker aus dem linken Flügel seiner Partei ein. Silvio Berlusconi, seinen Partner bei den Verfassungsreformen, stieß er mit dem Selbstbewusstsein als Chef der größten Partei im Parlament wagemutig vor den Kopf.
Knapp 20 Jahre lang füllte Silvio Berlusconi mit seinen Gefolgsleuten das Vakuum, das die Democrazia Cristiana (DC) nach ihrer Auflösung hinterlassen hatte. Nun ist Renzi endgültig in das Zentrum der italienischen Politik vorgedrungen. Mattarella, der am Samstag im vierten Wahlgang weit mehr als die notwendigen Stimmen bekam, wurde auch von Teilen der Konservativen gewählt. In Berlusconis Forza Italia und in der an der Koalition beteiligten Splitterpartei NCD von Alfano werden nun heftige Grabenkämpfe ausgetragen, die diese Parteien immer mehr zur Bedeutungslosigkeit verdammen. Renzi hat die Mitte besetzt und ist gewillt, seinen Reformkurs fortzusetzen.
Das bedeutet nicht, dass es keine Widerstände gegen seine Politik mehr geben wird. Doch die Alternativen im bürgerlichen Spektrum verschwinden zusehends. Für die Stabilität der Regierung und für den Fortgang der von Renzi angestoßenen Reformen ist das eine gute Nachricht.