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Leitartikel: Bayerns Schüler können nur gewinnen
Von Gisela Rauch gisela.rauch@mainpost.de
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:52 Uhr

Die Kultusminister der sechzehn deutschen Bundesländer streben für 2016 ein gemeinsames Abi an. Damit das Abi 2016 zwar nicht gleich, aber doch halbwegs gleichwertig werden kann, sollen nun gemeinsame Standards erarbeitet werden. Dadurch können Bayerns Abiturienten nur gewinnen. Wie großartig die Nachricht vom „kleinen“ Deutschland-Abi für Bayerns Abiturienten ist, kann man erst dann wirklich ermessen, wenn man die Vergleiche der Länderbildungssysteme der letzten Jahre im Blick hat. Dabei sieht man nämlich, dass ironischerweise der Umstand, dass Bayerns gymnasiales Bildungssystem fordernder und leistungsstärker war und ist als das anderer Bundesländer, Bayerns Schülern im Ländervergleich zum Nachteil gereicht hat: Gerade weil Bayerns Schüler besser waren, erging es ihnen schlechter! Obwohl laut Pisa nachweislich kompetenter als gleichaltrige Schüler im Norden Deutschlands, erlangten die jungen Bayern aufgrund härterer Anforderungen weit seltener – laut Bildungsmonitor 2012 – die Hochschulreife, begannen also auch seltener zu studieren, wurden seltener Akademiker samt Akademikergehalt. Wenn innerhalb der nächsten Jahre die Abituranforderungen der Länder angeglichen werden, wird diese ungerechte Chancenverteilung hoffentlich enden.

Letztlich ist die stets hochgehaltene und sehr deutschlandspezifische Bildungshoheit der Bundesländer daran schuld, dass diese ungerechte Chancenverteilung über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte andauern konnte. Man muss sich das so vorstellen: Während in Ländern wie Hamburg oder Bremen, die seit Jahren Schlusslichter bei Iglu-Grundschultests und den Pisa-Tests sind, auch Grundschüler aufs Gymnasium gehen durften, die Mühe hatten, 23 mal 3 zu rechnen, wurde gleichzeitig bayerischen Grundschülern der Wechsel aufs Gymnasium verwehrt, wenn sie Aufgaben wie 547 366 durch 17 nicht lösen konnten. Weil dann in Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen Klausuren und Abi-Prüfungen deutlich leichter waren als in Bayern, schafften mehr Nordlichter den Hochschulzugang. Journalisten aus Norddeutschland bezweifeln derzeit gern, dass „ihre“ Abis leichter sind. Der Bildungsexperte Dietrich Schwanitz hat aber, wenngleich schon vor Jahren, ebendies belegt – im „Focus“.

Die ganze Absurdität des dezentralen deutschen Bildungssystems zeigt sich in einem sehr schönen Bremen-Bayern-Vergleich: Bremens Schüler schneiden in Bildungstests seit Jahren am schlechtesten ab, Bremen belegt aber bei der Akademisierungsrate laut Bildungsmonitor 2012 den ersten Platz. Bayerns Schüler hingegen gewinnen alle Bildungstests, Bayern indes muss sich bei der Akademisierung mit einem schlechten 13. Platz begnügen, weit hinter Bremen und Hamburg.

Es wird also allerhöchste Zeit, dass die bayerischen Abiturienten, die deshalb leistungsstärker sind, weil sie während der ganzen Schulzeit bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit gefordert werden, dafür wenigstens angemessen entlohnt werden – mit einer höheren Abiturientenquote pro Schülerjahrgang, mit einer höheren Akademikerrate.

Vielleicht wird ja sogar, wenn Bayerns sehr hohe G8-Anforderungen dann beim Vergleich mit anderen leicht zurückgenommen werden, die Angst vor G8 sinken. Wäre ein netter Nebeneffekt des überfälligen „kleinen“ Deutschland-Abis.

 
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