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DEN HAAG
Lebenslange Haft für Völkermord in Srebrenica
Spuren eines Kriegsverbrechens: Eine Mitarbeiterin des UN-Tribunals birgt Skelette aus einem Massengrab außerhalb des Dorfes Cerska in der Nähe der früheren Moslem-Enklave Srebrenica.
Foto: ArchivOdd Andersen, dpa | Spuren eines Kriegsverbrechens: Eine Mitarbeiterin des UN-Tribunals birgt Skelette aus einem Massengrab außerhalb des Dorfes Cerska in der Nähe der früheren Moslem-Enklave Srebrenica.
reda
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:55 Uhr

In feinen dunklen Anzügen sitzen Ljubisa Beara (75) und Vujadin Popovic (57) nebeneinander auf der Anklagebank. Einst waren sie Kameraden und kämpften im Bürgerkrieg von Bosnien für ein Groß-Serbien. Nun hören sie ihr Urteil: lebenslange Haft für den Völkermord in Srebrenica. Das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien sprach am Freitag in Den Haag fünf ehemalige hohe serbische Offiziere in letzter Instanz schuldig für fast unvorstellbar grausame Verbrechen im Bürgerkrieg auf dem Balkan vor knapp 20 Jahren.

Symbol dafür ist der Völkermord von Srebrenica, das schlimmste Kriegsverbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Juli 1995 hatten serbische Einheiten unter dem Oberkommando von General Ratko Mladic die damalige UN-Schutzzone überrannt und rund 8000 muslimische Männer und Jungen ermordet. Nun endete nach fast neun Jahren der bisher größte Srebrenica-Prozess des UN-Tribunals. Über 300 Zeugen hatten den Schrecken im Gerichtssaal erneut lebendig werden lassen. Über 3000 Beweisstücke belegten tausendfachen Mord.

Mit dem Urteil aber ist das Kapitel noch längst nicht geschlossen. Die beiden mutmaßlichen Haupttäter warten noch auf ihr Urteil: Ex-General Ratko Mladic und der damalige Serbenführer Radovan Karadzic. Der ehemalige Psychiater verteidigt sich seit 2009 selbst und genießt offensichtlich seine letzte große Rolle auf einer öffentlichen Bühne. Im Oktober soll er sein Urteil hören. Sein Kriegskumpan Mladic war erst 2011 gefasst worden. Sein Prozess soll 2017 abgeschlossen werden.

„Ohne Gerechtigkeit keine Versöhnung“ ist ein Grundsatz der internationalen Strafjustiz. Doch im Fall von Srebrenica waren das bisher nur schöne Worte. Auch diese jüngsten Urteile werden kaum zur Aufarbeitung beitragen. Für die Serben ist das Massaker auch heute noch eine der ganz großen offenen Kriegswunden. Erst 15 Jahre später hatte sich das Parlament in Belgrad dafür entschuldigt. Jedoch hatte nur die Hälfte der Abgeordneten der halbherzigen Resolution zugestimmt, die peinlich bemüht war, das Wort Völkermord zu vermeiden.

Der serbische Staatspräsident Tomislav Nikolic, dessen politische Heimat über Jahrzehnte der extreme großserbische Nationalismus war, entschuldigte sich zwar für dieses „schreckliche Verbrechen“, allerdings müsse der Vorwurf des Genozids „erst bewiesen werden“. Aus Protest gegen diese Aussagen hatten die Staatschefs der Nachbarländer die Amtseinführung von Nikolic im Sommer 2012 boykottiert. Der Präsident der bosnischen Serben, Milorad Dodik, bestreitet den Genozid: „Wir können und werden niemals hinnehmen, dass dies als Völkermord eingestuft wird“.

Auch die internationale Justiz tut sich schwer. Dabei hatte sich 1948 die Staatengemeinschaft in der UN-Konvention zum Genozid verpflichtet, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Völkermord zu verhindern und Täter zu bestrafen. Doch erst nach Srebrenica wurde das Tribunal in Den Haag errichtet und dann auch das erste permanente Weltstrafgericht. Doch noch nie wurde ein Staatschef für Völkermord verurteilt. Der ehemalige jugoslawische Staatspräsident Slobodan Milosevic starb noch während seines Prozesses vor dem UN-Tribunal 2006 an einem Herzinfarkt in seiner Zelle.

Ein Jahr später wurde er allerdings faktisch posthum freigesprochen. Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag stellte zwar fest, dass Serbien, als Rechtsnachfolger von Jugoslawien, das Massaker von Srebrenica nicht verhindert hatte. Dennoch urteilte das höchste UN-Gericht: Serbien „hat keinen Völkermord verübt“.

Das Massaker

Im bosnischen Srebrenica ermordeten bosnisch-serbische Truppen im Juli 1995 rund 8000 Männer und Jungen. Blauhelm-Soldaten aus den Niederlanden hatten den Angreifern unter General Ratko Mladic die UN-Schutzzone kampflos überlassen. Innerhalb von acht Tagen wurden bosnische Muslime, die in die Enklave geflohen waren, ermordet. Die Gefangenen wurden unter den Augen der dort stationierten UN-Soldaten abgeführt und anschließend in den umliegenden Wäldern ermordet. Es war das schlimmste als Völkermord eingestufte Kriegsverbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa. Das Europaparlament erklärte 2009 den 11. Juli zum Gedenktag für die Opfer – auch um die Staaten daran zu erinnern, dass sie das Massaker nicht verhindert hatten.

Das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien in Den Haag hat in mehreren Fällen lange Haftstrafen verhängt. Insgesamt hat das UN-Tribunal gegen 20 Personen Anklage wegen der Verbrechen von Srebrenica erhoben, darunter gegen Ex-Serbenführer Radovan Karadzic und den damaligen General Mladic. Deren Prozesse sind noch nicht abgeschlossen. Das Urteil gegen den ehemaligen Serbenführer Radovan Karadzic wird für diesen Oktober erwartet. Text: Dpa

 
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